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Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege

Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege

Titel: Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Keller auch nicht?«
    »Der ist leer.«
    »Verdammt.« Selik setzte sich schwer auf die Bank, die beunruhigend knarrte.
    »Seid Ihr besorgt, Hauptmann?«
    Selik sah Devun an und schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Aber dies ist eine gute Gelegenheit, die Kollegien zu besiegen, und ich darf nicht scheitern. Wir müssen diesen Magier brechen, damit er unsere Botschaft überbringt. Ihre Zwietracht muss sich noch verschärfen.«
    »Ich will sehen, was ich tun kann, Hauptmann.« Devun knackte mit den Fingerknöcheln.
    »Du bist ein guter Mann, Devun«, sagte Selik. »Ich bin froh, dass du bei mir bist. Auf dem Weg der Gerechtigkeit muss man viele Opfer bringen. Mach dich an die Arbeit.«
    Devun strahlte, salutierte und ging hinaus.
    Selik lächelte, als er dem Mann nachschaute.
     
    Heryst, der Lordälteste Magier von Lystern, klatschte die Reithandschuhe in der großen Halle des weitläufigen Turmbaus auf den Tisch und schenkte sich einen großen Kelch Wein ein. Während er sich beruhigte und auf die Ratsmitglieder wartete, schweifte sein Blick über die Wandbehänge, auf denen seine Vorgänger abgebildet waren.
    Als er am letzten Tag seiner Reise von Dordover nach Lystern am frühen Morgen durch die stillen Straßen der Stadt geritten war, hatte sich eine enorme Wut in Heryst
aufgebaut. Die Stadt erholte sich gerade von der Hungersnot. Die Menschen hatten hart gearbeitet, sich mit kargen Rationen begnügt und überlebt. Sie hatten tausende von Flüchtlingen aufgenommen und ihre Möglichkeiten bis aufs Äußerste strapaziert, und trotzdem hatte es kaum Unruhen gegeben.
    Die Straßen waren sauber, auf den Märkten wurden nach wie vor Waren verkauft, der Handel erholte sich gerade, und er hatte in den Gesichtern einiger Menschen, die ihm begegnet waren, echte Zuversicht bemerkt.
    Und jetzt wurde das alles schon wieder bedroht. Sinnlos gefährdet.
    Er trank seinen Kelch aus, schenkte sich nach und genoss den Wein, der seine Nerven beruhigte und ihn in dieser frühen Morgenstunde wärmte. Er ging zu einem großen Bogenfenster und blickte auf sein Kolleg hinaus.
    Die große Halle befand sich im obersten Stockwerk des breiten und nicht sehr hohen Turms, der das Zentrum der lysternischen Magie bildete. Er war nur vierzig Fuß hoch, hatte ein schlichtes, mit Kacheln belegtes kegelförmiges Dach und war dreimal so breit wie hoch. Ein System komplizierter, durch Magie verbundener Balken hinderte das Dach daran, zusammenzubrechen. Unter der großen Halle waren die Kammern, die den Zeremonien vorbehalten waren, die Vortragssäle und Laboratorien tief in der Erde versenkt und umgaben das Herz des Kollegs.
    Gleich den Speichen eines Rades gingen vom Turm sieben Gänge aus und führten zu einem äußeren Ring, in dem Büros und Lehrsäle untergebracht waren. Zwischen den Gängen gab es sieben erstaunliche Gärten, die den Seniormagiern des Kollegs als Orte der Kontemplation dienten. Obstgärten, Buschwerk, Felsgärten, Teiche und
phantastische Blumenarrangements – hier konnten die Magier nach der jeweiligen Stimmung und Jahreszeit den geeigneten Ort finden.
    Hinter dem äußeren Ring erstreckten sich in alle Richtungen mehrere hundert Schritt weit die Nebengebäude: die Bibliothek, die Refektorien, der Kaltraum, das Mana-Bad, die Hallen und die Büros. Alle waren kreisförmig angeordnet und zum Zentrum hin ausgerichtet, denn die lysternische Magie bezog ihre Kraft aus der Geometrie der Bauten, aus der präzisen Architektur und den Winkeln der Mauern und Dächer. Heryst konnte nicht von sich behaupten, über die Ursprünge dieses Wissens gut informiert zu sein, doch er war entschlossen, niemanden diese Ordnung zerstören zu lassen.
    Er setzte sich auf einen luxuriös gepolsterten Stuhl mit außerordentlich hoher Rückenlehne, der ganz in Dunkelgrün und Blutrot gehalten war, und sah sich am runden Tisch mit den rautenförmigen Einlegearbeiten und den Dellen um, wo seit ewigen Zeiten die Ellenbogen der Magier die immer wieder aufpolierte Oberfläche eingedrückt und zerkratzt hatten. Welch bedeutende Entscheidungen waren hier über die Jahrhunderte getroffen worden, welch große Projekte hatte man diskutiert. Geschichte lag hier in der Luft, man konnte es beinahe körperlich spüren. Doch kein Thema konnte wichtiger sein als dasjenige, um das es jetzt gehen sollte.
    Im halbkreisförmigen Flur, der an die große Halle grenzte, wurden Türen geöffnet, und der Rat trat ein. Dreißig Männer und Frauen, erwartungsvoll, aber ein

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