Die Legenden des Raben 02 - Elfenjagd
Bäume reckten ihre Äste weit über den Waldboden, und ein paar kostbare Augenblicke lang fühlten sie sich beinahe wie zu Hause.
Vor ihnen, jenseits der Bäume, wurde das Tal flacher, und dort stand auf ebenem Grund eine Gruppe von Wohnhäusern. Sie waren ungeschickt und wie in großer Eile gebaut – oder von Arbeitern, die nichts vom Bauhandwerk verstanden.
Ein Stück von den Gebäuden entfernt sah Auum drei Menschen über einem liegenden vierten knien.
Er nickte nach links und rechts, seine Tai zogen lautlos weiter, Auum in der Mitte. Er hatte sie angewiesen, den Kontakt mit den Balaianern möglichst zu meiden. Anderen Elfen durften sie sich nähern, aber auch dies nur dann, wenn sie deutlich machen konnten, was sie wollten. Auum roch die Furcht der Menschen, und der Tonfall der Stimmen bestätigte, was sein Instinkt ihm bereits verraten hatte.
Er schlich bis zum Waldrand – Duele und Evunn waren jeweils zehn Schritte links und rechts neben ihm – und spähte hinaus. Etwa zwanzig Schritte entfernt kauerten die Fremden am Ufer des Flusses, der hier flach war und über Felsen plätscherte. Die Menschen in den Häusern hielten schussbereite Bogen in den Händen, und am anderen Ende des Weilers standen drei Männer mit gezogenen Schwertern und blickten nach Norden. Auum konzentrierte sich jedoch auf die Szene direkt vor ihm. Eine Frau aus dem Dorf tauchte ein blutiges Tuch in den Fluss und spülte es aus. Der Verletzte lag völlig still, während das Tuch seitlich auf sein Gesicht gelegt wurde.
Auum blickte nach links und rechts, und das Nicken verriet ihm, dass seine Gefährten alles gesehen hatten, was sie sehen mussten. Eine kleine Geste mit beiden Armen, dann stand er auf, verließ die Deckung und hielt beide Arme locker an den Seiten, damit seine Hände gut sichtbar waren. Sofort wurden sie bemerkt, ein erschrockener Ruf ließ die Köpfe herumfahren, und die Schwertkämpfer kamen angerannt. Duele behielt unterdessen die Bogenschützen im Auge. Auum glaubte allerdings nicht, dass sie schießen würden. Die Bogen zitterten, und die Pfeile würden ihr Ziel vermutlich sowieso verfehlen.
Auum ließ die Schwertkämpfer, die sich von links näherten, herankommen. Sie bauten sich unsicher auf und
wussten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Einer hob eine Hand und rief etwas. Auum blieb stehen und deutete auf den Verletzten am Ufer.
»Ich will diesem Mann helfen«, sagte er in der Hoffnung, einer der Fremden verstünde die einfache Elfensprache. Ihre ratlosen Gesichter zeigten, dass seine Hoffnung sich nicht erfüllt hatte.
Die drei Schwertkämpfer entstammten ebenso vielen Generationen. Ihre Klingen waren schlecht gepflegt und stumpf, ihre Kleidung schäbig, das Tuch und der Pelz oft geflickt. Auum sah ihren Augen an, welch schweres Schicksal sie erduldet hatten, und ihre Haltung, die knochigen Hände und die eingefallenen Wagen zeigten, wie ausgehungert sie waren. Er machte eine Bewegung, und die Schwerter wurden wieder gehoben. Er dachte angestrengt nach und suchte nach dem richtigen Wort in der balaianischen Sprache. Er hatte gehört, wie einer der Fremden es auf dem Schiff benutzt hatte.
Auum deutete auf den liegenden Mann. »Hilfe.« Sein Mund verzog sich, als er das fremde Wort aussprach.
Das Gesicht des Mannes lief dunkelrot an, er stieß einen unverständlichen Wortschwall aus und fuchtelte drohend mit dem Schwert herum. Duele wurde wachsam, entspannte sich aber sofort wieder, als sein Anführer eine winzige Handbewegung machte. Eigentlich hätte Auum zurückweichen sollen, doch er hatte sich entschieden, und wenn er sich nicht sehr irrte, wusste er bereits, wie der Mann verletzt worden war. Außerdem war er nicht daran gewöhnt, auf diese Weise behindert zu werden.
Er deutete ein drittes Mal auf den Mann. »Ich helfe.« Er machte einen Schritt nach links.
Sofort versperrte ihm einer der Schwertkämpfer den Weg. Seine Klinge kam dem Elf etwas zu nahe, Auum
machte einen weiteren Schritt auf den Mann zu, blockte den Schwertarm ab und stieß ihm die Handfläche vor die Brust. Der Mann stürzte zu Boden. Ein anderer Mann wollte sich in Bewegung setzen, doch ein Blick Auums hielt ihn auf.
»Behaltet sie im Auge«, sagte Auum zu Duele. »Ich will sehen, ob unsere Vermutung zutrifft.«
Er ging zu den Helfern, die beim Verletzten knieten, und ignorierte die drohenden Rufe.
Die knienden Dorfbewohner, zwei Männer und eine Frau, zogen sich zurück, als er sich dem Verwundeten näherte. Er
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