Die Legenden des Raben 02 - Elfenjagd
verscheuchte sie mit einer Geste und sprach noch einmal das Wort. Es war nicht klar, ob sie ihn verstanden oder nicht, aber sie hatten auf jeden Fall Angst vor ihm, obwohl er noch nicht einmal eine Waffe gezogen hatte.
Ohne weiter auf ihre besorgten, wütenden Blicke zu achten, kniete er sich neben den Kopf des Mannes und zog das blutige Tuch ab. Drei tiefe Schnitte verunstalteten die linke Gesichtshälfte des Mannes. Auch auf der Brust prangten einige Risswunden, die aber nicht so tief waren und nicht so stark bluteten. Krallenjäger.
Er wandte sich an Duele, der gelassen vor den verunsicherten Schwertkämpfern stand. Derjenige, den Auum umgeworfen hatte, war wieder auf den Beinen und rieb sich die Brust. Es war nichts gebrochen, dazu war der Stoß nicht fest genug gewesen.
»Der Geist der Krallenjäger ist noch nicht klar«, sagte Auum. »Der Panter hat den Mann verletzt, aber es war kein tödlicher Angriff, nur eine Warnung.«
»Sind die hier nicht aus Xetesk?«
Auum schüttelte den Kopf. »Sie haben keine Magie. Sieh dich nur um. Sie kämpfen ums nackte Überleben und
haben Angst. Du kannst dir vorstellen, wie dies hier geschehen ist.«
Die TaiGethen hatten kein Mitgefühl für diese Fremden, doch es war wichtig, sich zu vergewissern, in welcher Verfassung die Krallenjäger waren. Nun hatten sie ein Problem. Wenn dieser Vorfall typisch war, dann benahmen sich die unvergleichlichen Fährtenleser unberechenbar und sogar sorglos, wie es hier bereits geschehen war.
Auum öffnete seinen Beutel und holte die Päckchen mit den Kräutern heraus. Er brach etwas Legumiarinde ab, stand auf und ging zum Feuer, das im Zentrum der Siedlung brannte. Dort kochte Wasser in einem Topf. Er schöpfte einen Becher heraus und gab die Legumia hinein, damit sie aufweichen und sich auflösen konnte. Ihm war bewusst, dass sie ihn alle beobachteten. Belustigt musste er daran denken, dass diese Fremden sich für etwas Besseres hielten als die im Wald lebenden Elfen – doch sie wussten nichts darüber, wie man eine Wunde badete und die Infektion gleich an der Quelle unterdrückte. Ein blutiges, im Fluss ausgespültes Tuch würde mehr schaden als nützen.
Als er zu dem Mann zurückgekehrt war, sah er sich nach sauberem Stoff um und deutete schließlich auf ein Halstuch, das eine der Frauen trug. Mit zitternden Händen reichte sie es ihm. Er tauchte eine Ecke in das kochende Wasser und wischte das Blut aus dem Gesicht und von der Brust des Mannes, um die Wundränder freizulegen. Er würde schreckliche Narben davontragen, hatte aber Glück gehabt, dass er überhaupt noch lebte. Als Nächstes nahm Auum die Rinde aus dem Becher, riss sie in schmale Streifen und legte sie auf die Wunden. Die wieder aufkeimenden Proteste der Dorfbewohner erstickte er mit einer unwirschen Geste. Schließlich winkte er eine Frau zu sich, nahm ihre Hand und drückte sie auf die Rinde, während er
mit der anderen Hand zum Himmel zeigte und den Weg der Sonne nachzeichnete. Sie nickte.
»Lasst uns gehen.« Auum stand wieder auf und schulterte seinen Beutel. »Die Krallenjäger sind nicht weit voraus. Vielleicht können wir solche Vorfälle verhindern, bis wir unsere Feinde gefunden haben.«
Er führte seine Tai aus der Siedlung heraus und spürte die verblüfften Blicke der Fremden im Rücken. Als die Elfen weit genug entfernt waren, brach ein wirres Geplapper aus.
Dreizehntes Kapitel
Heryst hatte gerade eine ausgedehnte, schwierige Kommunion mit Vuldaroq abgeschlossen und kam schaudernd vor Erschöpfung wieder zu sich. In aller Deutlichkeit hatte er Vuldaroq erklärt, dass er nach wie vor ausschließlich auf Defensive und Verhandlung setzte, solange sein Kolleg nicht angegriffen wurde, doch der Dordovaner hatte nichts davon wissen wollen. Er war gereizt, weil Heryst sich geweigert hatte, eine regelrechte Allianz einzugehen, und wollte Lystern unabhängig von dessen Wünschen in den Krieg hineinziehen. Um dies zu erreichen, musste er Xetesk verleiten, auf das Land von Lystern oder Julatsa vorzustoßen.
Besonders nachdrücklich hatte Heryst sich über etwaige Kampfhandlungen geäußert. Kommandant Izack sollte das lysternische Land verteidigen und jeden feindseligen Vorstoß von Xetesk auf das Land von Julatsa verhindern. Weiter nichts. Da er sich der zunehmenden Spannungen durchaus bewusst war, hatte Heryst erst vor kurzem seine Männer besucht, um sie zu beruhigen und den dordovanischen Feldkommandanten zu warnen. Doch mit jedem
Tag, an dem Dystran sich
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