Die Legenden des Raben 05 - Drachenlord
können wir nicht lange gegen sie kämpfen. Magische Angriffe können
sie verletzen, aber wegen des Mana, das überall stark ist, vermögen Schwerter ihnen kaum etwas anzuhaben.«
Eine Hand hob sich. Es war ein junges Mädchen, das Heryst erkannte. Sie war der Küche im Turm zugeteilt, Anfang zwanzig, mit dunklen Haaren und zierlich.
»Bitte, Mylord, ich verstehe das nicht. Was sind das für Wesen?«
Heryst lächelte. »Es tut mir Leid. Ja, wir wollen am Anfang beginnen. Ich fasse mich kurz, und wer etwas nicht versteht, kann später noch einen Magier fragen. Magier, Ihr sollt alle Fragen beantworten. Glaubt ja nicht, es sei unter Eurer Würde, den anderen Lysterniern zu helfen.
Diese Dämonen kommen aus einer fremden Dimension. Wir haben schon seit Jahrhunderten Kontakt mit ihnen und wissen, dass sie unser Land wegen seiner Reichtümer und seiner großen Lebenskraft begehren. Dämonen brauchen Mana in der Atmosphäre, um atmen zu können und ihre natürliche Rüstung zu erhalten. Deshalb sitzen wir hier geschützt im Kaltraum. Sie ernähren sich von der Lebenskraft anderer Geschöpfe. Ich glaube, man könnte auch sagen, von deren Seelen. Dieses Wort passt so gut wie jedes andere. Sie können im Nu einem Menschen die Seele aussaugen oder sie im Laufe von Jahren verspeisen, was aber nur den Tod hinauszögern würde. Soweit wir wissen, bleiben die Seelen, die sie genommen haben, in der Dimension der Dämonen erhalten und werden durch Qualen stimuliert, um noch Jahre zu leben.«
Er hielt inne und sah sich um. Männern wie Frauen liefen die Tränen über die Wangen, einige schauderten. Andere blickten zum Rand des Spruchs, in die Flure vor dem Ratssaal, wo die Dämonen lauerten. Jemand hob eine Hand. Heryst nickte dem Soldaten zu, das Wort zu ergreifen.
»Können wir sie zurückschlagen?«
Heryst zuckte mit den Achseln. »Das weiß ich nicht. Ich muss gestehen, dass ich ernstlich daran zweifle. Wir können nur ahnen, wie viele von ihnen in der Stadt und im Land unterwegs sind. Es ist vermutlich auch nicht der Mühe wert, sie einzeln anzugehen. Wichtiger wäre es, herauszufinden, woher sie kommen, und den Zugang zu versperren.«
»Wie wollen wir das tun, wo wir doch hier festsitzen?«, rief jemand.
Heryst hob eine Hand. »Ruhe, bitte. Genau darüber reden wir jetzt. Ich möchte, dass wir über Folgendes nachdenken. Zuerst die praktischen Erwägungen. Wir haben kein Essen, kein Wasser und keine Latrine, und wir müssen uns etwas überlegen, um das alles einzurichten.«
»Lord Heryst«, schaltete sich Kayvel ein. »Ich glaube, das letzte Problem kann ich teilweise lösen.«
Kayvels Stimme war wie ein kühler Hauch auf heißer Haut. Heryst lächelte. »Dann lasst es uns hören. Mir ist es bisher nur gelungen, die Menschen zu ängstigen.«
Die Anspannung ließ etwas nach, hier und dort kicherte sogar jemand.
»Der Spruch reicht ein Stückchen weiter, als wir dachten. Er deckt auch die Latrinen hinter den nördlichen Türen ab. Es ist knapp, aber es reicht.«
»Danke«, sagte Heryst. »Allerdings sind wir hier nicht auf eine ausgedehnte Belagerung eingerichtet. Die Latrinen werden irgendwann voll sein, und wir haben keine Möglichkeit, sie zu leeren. Für den Augenblick ist das jedoch auf jeden Fall eine gute Neuigkeit. Sobald ich zu Ende gesprochen habe, wird Kayvel, dem ich die Aufsicht über die Soldaten und Nicht-Magier übertrage, ein Wachsystem organisieren. Niemand sucht die Latrinen ohne bewaffnete
Begleitung auf. Vergesst nicht, dass die Dämonen unsere Bewegungen überwachen und sich darauf einstellen werden.
Als Nächstes müssen wir über Essen und Wasser nachdenken. Ihr wisst, wo unsere Lagerräume und Brunnen sind. Die Frage ist, wie wir sie erreichen, ohne von den Dämonen erwischt zu werden. Magier, Ihr sollt Euch überlegen, ob es möglich ist, einen beweglichen Kaltraum zu erzeugen. Das Küchenpersonal und die Putzkolonne müssen darüber nachdenken, wo Eimer oder Becken und Fässer stehen … alles, was wir benutzen können, um Essen, Wasser, Kleidung und Bettzeug hier heraufzuschaffen. Geht davon aus, dass wir eine Weile hierbleiben, ehe wir entschieden haben, wie wir zurückschlagen können. Wenn Kayvel bereit ist, wird er sich anhören, was Ihr zu sagen habt. Gibt es sonst noch Fragen?«
»Mylord?«
»Ja, Oded, bitte sprecht«, forderte Heryst den jungen Ratsmagier auf.
»Danke, Mylord«, sagte er. »Glaubt Ihr, wir können mithilfe von außen rechnen?«
Wieder einmal spürte Heryst,
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