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Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)

Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)

Titel: Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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verglich, die zuvor auf ihren Knien gelegen hatte. Der von Kindesbeinen an neugierige Herr Schweitzer wartete mit verzehrender Geduld, endlich eingeweiht zu werden.
    „Guck du doch mal, Simon. Der Herr ganz links ist doch nicht derselbe wie der vor dem Möbelgeschäft, gelle?“ Laura reicht ihm die beiden Fotos, die in alter Manier mit einem elfenbeinfarbenen, gezackten Rand versehen waren.
    Na also, dachte Herr Schweitzer, und tat wie ihm geheißen. Zwar konnte man eine gewisse Ähnlichkeit nicht leugnen, trotzdem waren es unterschiedliche Physiognomien. Was ihn aber noch viel mehr in Bann zog, war der mittlere der drei Herren, die sich da so stolz in ihren Uniformen vor einem alten Kölner Humboldt-Deutz-Lastwagen, dessen verblichene Planenaufschrift kaum leserlich war, in Positur gestellt hatten. Es war ein markantes Gesicht. Eine Narbe oder ein Schmiß, wie sie ihn sich Mitglieder von Burschenschaften einst selbst zufügten, indem sie eine Rasierklinge über die gewünschte Stelle zogen und Salzwasser daraufträufelten – damit glaubten sie, einen Zugewinn an Männlichkeit herbeigeführt zu haben –, verlief vom linken Mundwinkel bis fast zum Ohrläppchen. Obendrein war es das länglichste Gesicht, das Herrn Schweitzer je untergekommen war. So eine Kopfform besaß nur einer von Millionen. Der Haarschnitt war leider unter einer Schirmmütze verborgen. Er hatte dieses Gesicht schon mehrmals gesehen. Bestimmt einer der führenden Schergen Hitlers. Schade, daß auf der Rückseite keine Namen standen, trotzdem fühlte er den Stundenschlag der Geschichte. Stets hatte er sich für dieses düstere Kapitel deutscher Geschichte interessiert, obschon es während seiner Schulzeit nur kurz angerissen worden war. Wie kam es, daß vermeintlich zivilisierte Bürger sich den Willen von Despoten beugten und willfährig und teilweise haßerfüllt selbst noch die unvorstellbarsten Greueltaten zu begehen imstande waren? Gerade dieser Aspekt menschlicher Psyche faszinierte und ekelte ihn gleichermaßen. Nein, mit den Namen wie Schierach, Goebbels, Göring, Rommel und Konsorten konnte er zwar etwas anfangen, aber die jeweiligen Gesichter zuzuordnen, dazu war sein Gedächtnis nicht ausgerichtet. Er las halt mehr, als daß er vor Marias Fernseher hockte.
    „Nein, ich glaube auch nicht, daß es sich um ein und denselben Kerl handelt.“ Er gab Esther die Fotographien. „Wer ist eigentlich der Typ in der Mitte?“
    „Weiß nicht“, gab Lauras Freundin zurück. „Warum?“
    „Kommt mir irgendwie bekannt vor.“
    Abermals betrachtete Esther den Abzug und zuckte die Schultern. Dann sah sie traurig, als ob sie ihre Unwissenheit bedauerte, zu Herrn Schweitzer, der ein gewinnendes Lächeln versuchte. Augenblicklich strahlten ihre Augen, was ihn zu fragen veranlaßte: „Kann ich sonst noch irgendwie behilflich sein?“
    Esthers Blick ging durch ihn hindurch, suchte Halt in den Bankentürmen im Fenster hinter ihm, in der unendlichen Weite des Universums, als laste alles Blei der Erde auf ihrem gebrechlichen Körper. Unweigerlich fühlte sich Herr Schweitzer in Not. Gerne würde er sie wieder lächeln sehen, hatte aber keine Idee, wie er dies anstellen sollte. Hätte er sich je eine Tochter gewünscht, dann so eine wie Esther, eine, die seiner Ansicht nach all das Gute im Menschen verkörperte.
    Doch plötzlich klärte sich ihr Blick und Herr Schweitzer geriet in Verzückung. „Ja. Oh ja. Du bist doch Detektiv, oder?“
    „Na ja, mehr oder weniger.“ In seinen Adern pulsierte das Adrenalin.
    „Na klar doch. Ehebrecher überführen und Gartenzwergdiebstähle aufklären“, zerstörte die blöde Laura den Zauber.
    Herr Schweitzer warf ihr einen grimmigen Blick zu. Was will die doofe Kuh überhaupt? Sofort schämte er sich aber ob seines Gedankens.
    „Nichts für ungut, aber …“, begann er und raffte sich, genauer gesagt, zerrte an seiner Jogginghose, „… ich kann noch viel mehr, wenn man mich nur läßt.“
    Und als niemand etwas darauf entgegnete, ergänzte er in einem Anfall von Poesie: „Die Trägheit ist von allen Übeln das schlimmste.“ Nebst Angeberei, rief er sich nun selbst zur Räson. Was mache ich hier eigentlich? Doch schon kurz darauf obsiegte der Wunsch in ihm, in faustischer Art alles ergründen zu wollen. Ein Hauch von Abenteuerlust durchströmte seine Venen. Von tollkühnem Wagemut beseelt wandte er sich an Esther: „Wenn du mir erklären magst, was es mit dem Brief und den Fotos auf sich hat …“
    Als sei

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