Die Leiche im rosa Nachthemd
Augenblick
nicht erinnern. Ich...«
Ein lautes Klopfen unterbrach mich.
Ich öffnete. Mrs. Eldridge warf mir einen vernichtenden Blick zu, spazierte ins
Zimmer, griff sich einen Stuhl und stellte ihn vor die Tür, drehte sich auf dem
Absatz um und marschierte von dannen.
Marian Dunton sah mich an und
lachte schallend.
10
Kurz vor Mitternacht stand ich
in Bertha Cools Wohnung. »Wo hast du denn jetzt schon wieder gesteckt?« fragte
sie.
»Bei der Arbeit. Wo ist
Marian?«
»Keine Ahnung. Ich habe vier- oder
fünfmal bei ihr angerufen, weil ich dich sprechen wollte. Ich dachte, ihr
wolltet weggehen.«
»Ich war nur kurz bei ihr.«
Bertha starrte mich an. »Da
brat mir doch einer ‘nen Storch!«
»Weshalb denn jetzt schon
wieder?«
»Als du weg warst, hat dieses
Mädchen ständig Elsie Brand von der Arbeit abgehalten. Vier- oder fünfmal
täglich hat sie angerufen und gefragt, ob wir von dir gehört hätten, wann wir
dich zurückerwarten und ob es dir gutgeht. Ich hätte meine sämtlichen
Brillanten verwettet, daß sie dich an dem ersten Abend sofort zum Essen und ins
Kino geschleppt hätte, um mit dir Händchen zu halten.«
»Marian ist ein nettes
Mädchen«, sagte ich böse.
»Ist sie auch. Sie ist eben in
dich verschossen.«
»Blödsinn. Sie himmelt doch
diesen Bezirksanwalt an.«
Bertha Cool schnaufte
verächtlich. »Den? Daß ich nicht lache. Nein, die hat’s auf dich abgesehen.«
»Was gibt’s sonst Neues?«
fragte ich. »Hast du Flo Mortinson aufgestöbert?«
Bertha Cool nickte. »Sie heißt
jetzt Flo Danzer und wohnt seit knapp einer Woche im Mapleleaf Hotel. Zimmer mit monatlicher Kündigung. Ich habe mich auch dort einquartiert.«
»Hat sie Gepäck?« fragte ich.
»Ja. Ich habe einen
Kabinenkoffer angeschleppt, in den ihrer bestimmt reingeht, egal, wie groß er
ist. Das wolltest du doch, nicht? Die Koffer sind im Keller untergebracht.«
»Großartig. Dann werden wir uns
mal als Gepäckdiebe betätigen. Unter welchem Namen hast du dich angemeldet?«
»Bertha Cool. Es ist immerhin
möglich, daß mich jemand erkennt.«
»Wir müssen ein paar Bündel
alte Kleider mitnehmen.«
»Wozu?«
»Als Polster, falls dein Koffer
zu groß ist. Man darf nichts klappern hören.«
»Können wir nicht bis morgen
früh warten? Es ist für so ein Unternehmen schon ein bißchen spät geworden.«
»Ach, das schaffen wir schon.
Schick dir noch ein Telegramm, bevor wir hinfahren. Wenn es im Hotel ankommt,
hast du einen guten Grund, deinen Koffer zu packen und abzuzwitschern.«
Bertha Cool nahm sich eine
Zigarette und steckte sie sorgfältig in ihre superlange Zigarettenspitze. »Ich
denke nicht daran, weiter ins Blaue hinein zu arbeiten. Du mußt schon mit der
Sprache herausrücken, Kleiner!«
»Warte, bis wir den Koffer
haben. Dann wird sich herausstellen, ob meine Theorie richtig ist.«
»Wenn sie richtig ist — um so
besser. Wenn sie nicht richtig ist, will ich mich rechtzeitig nach einem
atomsicheren Bunker umsehen. Aber dich nehme ich nicht mit! Das ist deine
Party.«
Ich nickte gedankenverloren.
»Setz dich und hör auf zu
brüten. Leg endlich das Ei, sonst...«
»Sonst?« wiederholte ich.
Bertha grinste. »Also — wenn ich
ehrlich sein soll, Donald, weiß ich auch nicht, wie man dich unter Druck setzen
könnte. Am liebsten würde ich dir noch eins auf deine geschwollene Gurke geben,
aber das kann man ja nicht verantworten. Zugegeben, wir stecken zusammen in
diesem Schlamassel, aber ich möchte doch gern wissen, wie die Aktien stehen.«
»Also schön. Aber es ist bis
jetzt nur eine Theorie.«
»Natürlich ist es nur eine
Theorie. Aber zufällig interessiert sie mich...«
»Dann hör zu. Vor einundzwanzig
Jahren trennen sich Mrs. Lintig und ihr Mann. Mrs. Lintig verläßt Oakview. Die
Stadt gerät in wirtschaftliche Schwierigkeiten, das Leben stagniert, die
jüngeren Leute ziehen fort, das Geld wird knapp.«
»Und?« fragte Bertha.
»Die Lintigs verkehrten mit
diesen jüngeren Leuten, die Oakview den Rüchen kehrten, um anderswo Glück und
beruflichen Erfolg zu suchen. Wenn Mrs. Lintig nach so langer Zeit Bekannte
besuchen wollte, war sie in Oakview an der falschen Adresse.«
»So weit, so gut. Nun mal
weiter.«
»Einundzwanzig Jahre lang zeigt
niemand in Oakview auch nur das leiseste Interesse an Mrs. Lintig. Plötzlich
erscheint ein Mann und beginnt, Fragen zu stellen. Zwei oder drei Wochen danach
taucht Evaline Harris auf und schnappt sich alle greifbaren Fotografien
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