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Die Letzte Arche

Die Letzte Arche

Titel: Die Letzte Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
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eintrat und einen leuchtenden Kondensstreifen aus glühendem Plasma erzeugte, der zu seinem Landeplatz auf dem Gürtel hinunterführte.
    Dann kamen die letzten Umzugsaktionen zwischen den beiden Modulen, Seba und Hawila, der letzte Materialtransfer, die letzten Händedrücke. Holle ließ die Shaughnessys, mit denen sie seit dem Start in Gunnison eng zusammengearbeitet hatte, nur höchst ungern gehen. Aber sie wollten nach Hause.
    Und schließlich wurde das Seil zum zweiten Mal seit dem Jupiter von seiner explosiven Guillotine durchschnitten, und die Module trieben auseinander.
    Seba sollte als erstes Modul seine Warp-Blase erzeugen. Von Hawila aus schaute Holle, die neben Venus in der Kuppel saß, neugierig zu. Aus Holles Blickwinkel geschah es, als Seba gerade über das Antlitz der Erde II hinwegzog. Ein ganzer Teil des Planeten, eine unregelmäßige Scheibe, schien wie von einer unsichtbaren Faust zerknittert zu werden; die Farben von Land und Meer verliefen wie nasse Farbe. Aber dann nahm alles wieder seine ursprüngliche Form an, und Seba war fort.
    Erst da entdeckte Wilson, dass Kelly Kenzie Mike Wetherbee, den einzigen Arzt, entführt und zur Erde mitgenommen hatte. Wilsons Zorn währte tagelang.

Fünfter Teil
2059

74
    JULI 2059
     
    Es war Boris Caistor, der dreizehnjährige Boris mit seinen scharfen jungen Augen, der als Erster das neue Licht am Himmel bemerkte, einen Funken, der durch die tiefere Dunkelheit zwischen Wolkenbänken segelte.
    »Thea hat ihn auch gesehen«, erklärte er Thandie Jones. »Sie sagt, sie kann eine Form erkennen. So was Langes und Dünnes, wie ein Splitter.«
    Thandie, die auf einem Floß saß, das sich mitten auf dem Ozean auf den Wellen wiegte, schaute zum wolkenverhangenen Himmel hinauf und runzelte die Stirn. »Bestimmt zwei Splitter hintereinander, verbunden durch einen Faden …«
    »Nee. Bloß einer. Kann natürlich sein, dass sie lügt. Thea lügt ständig oder denkt sich irgendwelches Zeug aus. Einmal hat sie gesagt, sie hätte so einen Wal gesehen, der …«
    »Schon gut!«
    Thandie war ziemlich sicher, dass Boris nicht verstand, was er da eigentlich gesehen hatte, und auch nicht erfasste, was es möglicherweise bedeutete. Und noch schlimmer, sie war ebenso sicher, dass es ihn nicht die Bohne interessierte. Thandie war Lily Brookes Beispiel gefolgt und versuchte, eine Art Bildungsprogramm für die Kinder auf dem Floß aufrechtzuerhalten. Aber viel mehr als Astronomie war nicht drin; der sich verändernde Sternenhimmel war das Einzige, was es zu sehen gab, das Einzige, was das Interesse dieser Kinder erregte,
abgesehen von Essen, Schwimmspielen und den hübschen Körpern der anderen. Thandie vermutete, dass Boris’ Gehirn sich ebenso auflöste wie das der anderen Angehörigen seiner Generation.
    Aber er war ein anhängliches Kind und nett zu Thandie, seiner Ehrentante, so wie er damals, als sie ihm in einer Ansammlung von Flößen über dem versinkenden Gipfel des Mount Everest zum ersten Mal begegnet war, auch schon die Launen einer anderen alten Dame ertragen hatte, seiner Urgroßtante Lily Brooke. Außerdem war er aufgeweckt und aufmerksam, und obwohl auf diesem neuen, stürmischen Ozean immer so phänomenal schlechte Sichtverhältnisse herrschten, hatte er das neue Licht am Himmel als etwas Besonderes erkannt; vielleicht war es ja das, was Thandie schon seit einem Jahr zu sehen erwartete, wie sie ihm erklärt hatte.
    Wenn Boris es gesehen hatte, dann andere auch. Also holte Thandie einen ihrer kostbaren Handhelds aus seinen solebeständigen Plastikhüllenschichten und lud den Akku über die Solarzellen auf. Sie postete Boris’ Sichtung an die Kaminrunde und erkundigte sich nach weiteren Beobachtungen; insbesondere wollte sie wissen, wann das Ding zum ersten Mal in der Erdumlaufbahn erschienen war.
    Aber sie musste es mit eigenen Augen sehen, um vielleicht eine Vorstellung von seinen die Erde umkreisenden Bestandteilen zu bekommen.
    Danach saß sie für ein, zwei und schließlich drei Nächte – Teufel nochmal, so lange es eben dauern würde – in ihrem alten, weitgereisten Klappstuhl auf dem Floß, eine Decke um die Beine gewickelt, und wartete darauf, dass die Wolken sich lichteten. Sie nickte immer wieder kurz ein. Mit ihren dreiundsiebzig Jahren und nach einem ziemlich harten Leben war sie zwar
mit passabler Gesundheit gesegnet, aber die Feuchtigkeit setzte ihr zu und sie schlief viel.
    Das Floß war groß, nach den Maßstäben derjenigen, die zwanzig Jahre oder

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