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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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anderen Jungs. Willst du raufgehen? Du kannst ihn ja mit runterbringen.«
    Seine Antwort verstehe ich nicht. Ich spucke auf das Bügeleisen, so wie es mir Gran beigebracht hat, und die Spucke brutzelt zu einer Kugel zusammen und verschwindet mit einem Zischen. Genau richtig. Ich fange mit denÄrmeln an. Das Wasser spritzt aus der Sprühdüse und das Bügeleisen seufzt und das Hemd ist frisch und glatt und so gut wie neu. Ich fahre mit dem Finger über die Baumwolle. Perfekt. Nichts auf der Welt kann so perfekt sein.
    Laute Stimmen, ganz nah. Helen ist in der Küche. Der Wasserhahn wird aufgedreht und ich höre den Teekessel. Ich rühre mich nicht und bete darum, dass sie mich nicht findet, aber sie unterhält sich mit jemandem und klappert mit Teetassen und Tellern herum. Ich fange mit dem anderen Ärmel an.
    »Es ist wirklich schön, dass wir uns endlich kennenlernen«, sagt eine Frauenstimme. Ich kenne diese Stimme. Wer zum Teufel ist das? Helens Antwort kriege ich nicht mit.
    »Ach, schon sehr lange«, sagt die geheimnisvolle Frau. »Wir sind schon seit Jahren eng befreundet. Ich freue mich, dass ich Dannys Familie kennenlernen darf und endlich Gesichter zu den Namen habe.«
    Tess. Es ist diese Tess. Ménage à trois. Die eiskalte Schlampe. Genau die. Was macht die denn hier?
    »Es ist wirklich ein Zeichen dafür, dass Danny alle seine Probleme hinter sich lässt«, sagt Tess. »Ich meine, dass er uns miteinander bekannt macht … und dass er wieder eine Beziehung zu Ty aufbaut. Der arme Junge. Er hat so viel durchmachen müssen.«
    Meint sie mich damit? Oder meinen Dad?
    »Wir alle freuen uns darüber, dass wir Ty wieder in der Familie haben«, antwortet Helen. Sie freut sich bestimmt darüber, dass ich für sie gebügelt habe. Ich schüttle daserste Hemd aus – es ist weich, frisch, strahlend weiß – und hole mir das nächste.
    »Wie niederschmetternd muss es für Sie gewesen sein«, schnurrt Tess, »als Nicki Ihnen damals verweigert hat, den Jungen zu sehen. Wie rachsüchtig. Dabei sollte man denken, sie hätte es verstanden und wäre dankbar dafür gewesen, dass Sie das Sorgerecht haben wollten.«
    Schweigen. Dann sagt Helen sehr langsam: »Dann … dann hat Danny Ihnen also davon erzählt? Sie müssen ihm wirklich sehr nahestehen.«
    Ich bin wie erstarrt. Ich höre das Blut durch meinen Körper rauschen, den Rhythmus meines Herzens, höre den Atem in meinen Lungen rasseln.
    »Es muss die reinste Folter für Sie gewesen sein«, fährt Tess fort. »Zu wissen, dass der kleine Junge in so instabilen Verhältnissen aufwächst. Aber das kann man ihr wohl nicht vorwerfen. Sie war krank. Das alles war schrecklich für Danny …« Ich mache ganz lange Ohren, aber ein lautes Krachen blendet ihre Stimme aus, und ich kriege nur noch das Ende des Satzes mit: » … Krankenhaus.«
    »Gran! Gran! Wo bleibt der Tee? Ich will Kuchen!«
    »Oh«, sagt Helen. Alle Fröhlichkeit ist aus ihrer Stimme gewichen. »Wir kommen sofort, Atticus. Der Tee muss nur noch ziehen. Wo ist Archie? Und wo ist Ty?«
    »Ty ist runtergegangen«, antwortet eine Kleinejungenstimme. »Archie guckt Herr der Ringe. Archie ist total blöd, Gran.«
    Ein komischer Geruch dringt mir in die Nase … ein unangenehmer Geruch. Ich schaue nach unten auf dasHemd. Nein! Ich habe das Bügeleisen zu lange auf einer Stelle stehen lassen. Jetzt ist auf dem blütenweißen Hemd ein kackebrauner Fleck. Ich habe es angesengt … versaut … ruiniert. Schon wieder steigen mir Tränen in die Augen. Ich kralle mich am Rand des Bügelbretts fest. Ich kann nicht – darf nicht! – schon wieder heulen. Nicht wegen einem Hemd! Um Himmels willen!«
    »Lauf rasch hinauf und hol ihn, Ludo«, sagt Helen. »Wahrscheinlich hat Danny Ty gefunden und bringt ihn mit. Machst du mir bitte die Tür auf, Atticus? Tess, meine Gute, würde es Ihnen etwas ausmachen, die Schuhe auszuziehen? Ich würde nur ungern High-Heel-Abdrücke auf dem Parkett haben.«
    Schon sind sie weg. Und ich kann wieder atmen. Aber kurz darauf höre ich andere Stimmen. Die von meinem Dad. Und von Helen.
    »Wo steckt er denn bloß?«, sagt er. »Ist er schon wieder abgehauen? Meine Güte … man kann ihn keine Sekunde aus den Augen lassen. Nicki hat gesagt, er sei sauer wegen dieser Playstation gewesen, aber ich hätte nicht gedacht, dass er gleich wieder verschwindet. Hast du ihm gesagt, dass ich komme? Wo kann er denn sein?«
    Ich kann mich nicht bewegen. Alles ist irgendwie gedämpft und langsam, und ich muss

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