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Die letzte Einheit: Roman (German Edition)

Die letzte Einheit: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Einheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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ist?«, fragte Lowen.
    »Ich leite einen Nachrichtenlink an Sie weiter, der mir soeben zugeschickt wurde.«
    Lowen zog ihren PDA hervor und öffnete den Link. Es war ein Bericht über sie, wie sie nach der Explosion die Verletzten versorgte. Eine Videoaufnahme zeigte, wie sie neben einer am Boden liegenden Frau kniete.
    »Was ist das denn?«, sagte Lowen. »Sie war nicht einmal verletzt. Sie ist einfach nur durchgedreht und zusammengebrochen, als die Bombe hochging.«
    »Schauen Sie mal in Ihren Posteingang«, forderte Prescott sie auf.
    Lowen tat es. Sie hatte mehrere Dutzend Interviewanfragen von verschiedenen Medien erhalten. »Bäääh«, sagte sie und warf ihren PDA auf den Tisch. »Jetzt bin ich schon Teil der Ablenkungskampagne geworden.«
    »Ich schätze, das heißt, das Außenministerium sollte verlauten lassen, dass Sie derzeit für Interviews nicht zur Verfügung stehen«, sagte Prescott.
    »Ersetzen Sie ›derzeit‹ durch ›niemals‹«, sagte Lowen. Sie verließ den Raum, um sich einen Kaffee zu holen und damit ihre einsetzenden Kopfschmerzen zu therapieren.
    Schließlich gab Lowen sechs Interviews: eins für die New York Times , eins für die Washington Post , zwei für Morgennachrichtensendungen und zwei für Audioprogramme. Jedes Mal lächelte sie und erklärte, dass sie nur ihren Job gemacht hatte, was streng genommen nicht stimmte, weil sie nicht mehr als Ärztin praktizierte, seit sie für das amerikanische Außenministerium arbeitete. Aber niemand hakte an diesem Punkt nach. Die Story der Tochter des Außenministers, die wie ein heilender Engel am Schauplatz eines terroristischen Anschlags eintraf, klang einfach zu gut, um sie mit solchen Fragen zu ruinieren.
    Lowen wand sich, als die Bilder von ihr zwei volle Nachrichtenrunden lang über die Bildschirme des ganzen Planeten liefen. Die zweite Runde wurde dadurch ausgelöst, dass sie einen Anruf vom Präsidenten erhielt, der ihr dafür dankte, was sie für das Land getan hatte. Lowen dankte dem Präsidenten für den Anruf und nahm sich vor, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit ihren Vater anzubrüllen, der zweifellos die Medienkampagne für seinen Chef angeregt hatte, weil demnächst Zwischenwahlen anstanden und der Präsident etwas mehr positive Publicity gebrauchen konnte.
    Lowen war nicht an weiteren Interviews oder Gratulationen oder Grußbotschaften interessiert, auch nicht am Angebot des brasilianischen Ministers für Tourismus, sein Land zu besuchen. Das Einzige, was sie interessierte, war die Akte über Luiza Carvalho. Sie nervte sowohl Prescott als auch ihren Vater so lange, bis sie endlich eintraf, zusammen mit einer Mitarbeiterin des Außenministeriums, die die Aufgabe hatte, die Akte nicht aus den Augen zu lassen. Lowen schenkte ihr ein Glas Mineralwasser ein und ließ sie neben sich am Küchentisch sitzen, während sie las.
    Nach ein paar Minuten sah sie die Kurierin des Außenministeriums an. »Das soll wirklich alles sein?«
    »Ich habe die Akte nicht gelesen, Ma’am«, sagte die Kurierin.
    Darin stand absolut nichts Bemerkenswertes. Luiza Carvalho war in Belo Horizonte geboren. Beide Eltern waren Ärzte. Keine Geschwister. Sie ging zur Universidade Federal de Minas Gerais und machte Abschlüsse in Ökonomie und Jura, bevor sie Mitarbeiterin des brasilianischen diplomatischen Korps wurde. Sie war in Vietnam, den Sibirischen Staaten, Ecuador und Mexiko tätig, bevor sie zur brasilianischen UN -Mission wechselte, für die sie sechs Jahre lang gearbeitet hatte, als sie der Clarke -Mission zugeteilt wurde, wo sie Liu Cong ermordete.
    Wie alle Mitarbeiter der brasilianischen Auslandsdienste wurde Carvalho jährlich von ihren Vorgesetzten über ihre Verbindungen und Aktivitäten befragt und hatte zustimmen müssen, stichprobenartig vom brasilianischen Geheimdienst »überprüft« (sprich: beschattet und abgehört) zu werden, um sicherzustellen, dass sie nichts Ungehöriges tat. Abgesehen von einigen fragwürdigen sexuellen Affären – »fragwürdig« hinsichtlich ihrer Partnerauswahl, nicht in Bezug auf die nationale Sicherheit – gab es in ihrem Leben nichts Ungewöhnliches.
    Carvalho hatte keine Bekannten oder Freunde außerhalb der Gemeinschaft der Außendienste. Die einzigen Reisen, die sie unternahm, führten sie nach Belo Horizonte, wo sie die Weihnachtsferien mit ihren Eltern verbrachte. Sie hatte fast überhaupt keine Fehlzeiten, außer zwei Jahre vor ihrem Tod, als sie wegen einer viralen Meningitis stationär

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