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Die letzte Flut

Die letzte Flut

Titel: Die letzte Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Findley
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ein Kinderspiel.
    Noah hatte im Edikt nachgeschaut – es bestand teils aus einem Zeitplan, teils aus einer Regelsammlung – und war zu dem Schluss gekommen, dass man – trotz Staub und Wind – nicht umhinkonnte: Sie mussten damit anfangen, die Tiere aufzuladen.
    Was auf der Stelle ein Chaos verursachte.
    Zumal nur die Familienmitglieder da waren, um zu helfen. Alle Waldarbeiter und Wanderarbeiter waren bereits entlassen worden und schon meilenweit weg, wo sie, ohne es zu wissen, die paar Tage verlebten, die ihnen noch bleiben sollten.
    Dass die Sicht ein Problem war, lag auf der Hand – und dazukam, dass sie den Weg zur Arche festlegen und ihn dann genau befolgen mussten. Die Entscheidung fiel so aus: Wenn man zwischen den Bäumen Seile und Ketten spannte, könnte man ganz einfach den schon vorhandenen Pfad benutzen. Er hatte zumindest den Vorteil, dass er streckenweise schon auf einer Seite, manchmal auch auf beiden, eingezäunt war – und er führte die ganze Strecke entlang, vom Fuß bis zum Kamm des Berges.
    Das schlimmste und größte Problem waren aber die Tiere selbst.
    Es war schön und gut, dass das Edikt »je ein Paar« vermerkte – aber Tiere kommen nicht paarweise vor, und sich für diese Stute und jenen Hengst zu entscheiden war leichter gesagt als getan.
    Die Schafe waren ein Alptraum. Mrs Noyes hatte ihnen allen das Singen beigebracht. Sie hatte ihre Lieblinge unter ihnen – wie sich aber herausstellte, waren alle ihre Lieblinge –, doch nur sieben durfte sie mitnehmen. Einen Widder, sechs Mutterschafe – keine Lämmer. Schließlich musste Mrs Noyes mit Gewalt von ihnen entfernt werden und Sem erhielt den Auftrag, sie auszuwählen.
    Alle großen Tiere mussten aus den Käfigen auf der Wiese befreit werden: Elefanten und Löwen; Giraffen und Kamele; Nilpferde und Wasserbüffel… siebzig Tierpaare insgesamt, wovon mehr als die Hälfte bösartig und alle außer sich waren vor Angst.
    Japeth war so klug, seine Jagdtechniken in Anwendung zu bringen – er setzte seine Brüder und Luci jeweils auf ein Pferd und versah sie mit einem Speer, den sie als Stock zum Treiben benutzten. Mrs Noyes und Emma wurden dem Federvieh und den kleineren Tieren aus der Käfighaltung – Hasen, Meerschweinchen, Ratten und so weiter – zugeteilt. Wobei das »und so weiter« sich über viele Seiten erstreckte, und jedes Tier – jede Art und jedes Geschlecht – auf Hannahs Liste abgehakt werden musste, wenn es an Bord geschoben, getragen oder getrieben wurde.
    Etliche Tiere wurden auf dem Berghang zu Tode getrampelt. Etliche wurden von anderen, die in Panik geraten waren, angegriffen; man ließ sie an Ort und Stelle krepieren. Etliche entwischten unter den Seilen, andere sprangen über die Zäune und verschwanden meilenweit in der Ferne. Wieder andere verirrten sich in die verschiedenen Höfe, sogar ins Haus. Mrs Noyes brachte den Pfau an Bord, konnte aber die Pfauhenne nicht finden. Als sie sie endlich gefunden hatte, war der Pfau entwichen und sie musste ihn wieder einfangen.
    Draußen auf der Wiese kauerten Pfeifer und die Füchsin in ihren Bauten; sie glaubten, die Erde selbst sei zum Leben erweckt. Mäuse wurden lebendig begraben und Dämonen randalierten in panischer Angst.
    Der Lärm der großen Prozession, des großen Zusammentreibens, war in der Tat jenseits des Forstes zu hören; er hielt eine Nacht und zwei Tage an.
    Einmal kletterten Emma und Mrs Noyes auf das Hausdach, um ein Paar Störche herunterzuholen, und da hielten sie inne und schauten zum Berg hin, zur Arche hinauf und zum Fluss hinunter. Sie erblickten eine sich endlos bewegende Masse aus Rücken und Schultern und Köpfen, die sich gegen den Wind stemmte und durch den Staub nach oben drängte; einige, mit Hörnern oder Geweih, hielten den Kopf hoch oben; andere, mit massiver Stirn und vom Sand geblendeten Augen, stießen mit gesenktem Kopf nach vorne. Alle schrien, aus Verwirrung und Angst, und viele riefen nach ihren verlassenen Jungen oder in Pferchen, Korralen oder Ställen eingesperrten – zum Untergang verurteilten – Artgenossen. Der weite Himmel über ihnen füllte sich mit Vögeln, und von Wolken gab es keine Spur, nur die unbarmherzige Sonne brannte, die partout nicht untergehen wollte.
    In diesem Augenblick wandte sich Mrs Noyes Emma zu, legte ihr einen Arm um die Schulter, hielt sie fest und sagte zu ihr: »Liebes, vergiss nie, was du da unten gesehen hast – denn dies ist der Anfang einer neuen Welt!«
    Emma starrte hinunter und

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