Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)
wie er im wattierten Kimono Sake schlürft, vor Schweiß trieft und lüstern grient, sieht er genau aus wie Tako Nyūdō, der rotglatzige Eremit. Und dann bin ich auch in Verlegenheit, weil ich nie weiß, wo er eigentlich hinguckt. Trotzdem habe ich mir, ohne großen Widerwillen und ohne Rücksicht auf meine eigenen Gefühle, den Kopf gründlich zermartert, wie ich es schaffen könnte, ihm zu gefallen, um ihn auf Dauer an mich zu binden.
Schon vorher hatte ich manches Gerücht über den Lonpari gehört. Er soll Manager und Yakuza -Boß sein und eine große Vorliebe für jungfräuliche Mädchen besitzen. Er soll die meisten Geisha vernascht haben, und zwar immer nur das erste Mal. Auch Karuta hatte mir gesagt:
»Einer von der Sorte, das ist doch ein Armleuchter!«
Weil der Lonpari mich seit der Zeit, als ich Nachwuchs-Geisha war, auf übertriebene Weise favorisiert hatte, schwante mir schon, daß er es auf mich abgesehen hatte, aber daß ausgerechnet der mein erster Partner würde, hatte ich mir nicht träumen lassen.
Wie ich mich bei der Initiation zu verhalten habe, hat mir die Mutter ausführlich eingetrichtert. Auch die anderen Geisha gaben mir allerlei Ratschläge, zum Beispiel: »Wenn du dem dabei ins Ohrläppchen beißt, freut er sich.«
Ich habe mir alles gut gemerkt, und als wir zusammen im Schlafzimmer lagen, habe ich von mir aus Hand angelegt. Das hat nichts damit zu tun, ob es mir Freude macht oder zuwider ist, sondern ich habe mir nur Mühe gegeben, dem Kunden zu gefallen. Daß dies zu den beklagenswerten Gewohnheiten der Geisha gehört, kann man wohl sagen.
Am andern Morgen lachte der Lonpari.
»Du bist ja draufgängerisch wie eine Dreißigjährige! Ich hatte gedacht, ich würde mit der Defloration mal wieder übers Ohr gehauen, aber du warst ja ein echtes Jüngferlein!«
Hinterher wurde ich noch vier anderen Männern nacheinander zur »Initiation« angedreht, und die Mutter machte fetten Profit.
»Auf keinen Fall darfst du erzählen, daß du vorher schon einen Partner gehabt hast«, mahnte sie mich eindringlich bis zum Überdruß und unterwies mich ausführlich, wie ich Unerfahrenheit zu mimen hätte. Ich hielt den Mund und fügte mich ihrem Willen.
Von da an begann für mich, die ich den Wert des Geldes nicht mal kannte, das Leben, in dem ich für Geld feil war. Wenn es sich nur gut verkauft, kann sich in dem Gewerbe auch das »Kind eines Landknechts« so viel herausnehmen wie das »Fräulein Tochter eines Fürsten«. Wenn ein Kunde sagte, er wolle mir etwas spendieren oder mir ein Trinkgeld zustecken, habe ich ihn alles auf meinen Kaufpreis drauflegen lassen. Wenn ich viel mehr einbringe als nur den normalen Lohn für das Geisha-Engagement, kann ich auch, wenn ich mal keine Lust habe, nicht zum Zashiki gehen, sondern mich zu Hause in aller Ruhe aufs Ohr legen, ohne daß irgend jemand darüber meckert.
Karuta hat mir auch dies beigebracht:
»Die Gäste sind Kinder, und die Geisha sind Maronen. Wir dürfen nicht von selbst aus der Stachelschale rausspringen und sagen ›bitte verspeis mich!‹ Wenn die Kinder sich nicht ein bißchen Mühe geben müssen, schmeckt's ihnen nicht. Wenn sie aber glauben, da ist ein süßer Kern drin, setzen sie alles dran, ihn rauszukriegen, auch wenn sie sich an den Stacheln die Finger blutig stoßen. Deshalb kannst du die ruhig ab und zu mal pieksen. Was sie auf diese Art erobert haben, behandeln sie nicht unachtsam, denn das schätzen sie höher ein. Soviel Klugheit muß man schon aufwenden.«
Manchmal habe ich gedacht, daß das nicht nur für Geisha gilt, sondern daß alle Frauen ohne eine solche Einstellung aufgeschmissen sind.
Wenn ich auf Dauer, ganz ohne die Liebe anderer Menschen kennengelernt zu haben, ohne Arg der Welt gegenüber und ohne meine Vergangenheit kritisch zu überdenken, immer nur so weitergelebt hätte wie damals, dann hätte ich womöglich ein angenehmes Leben führen können, ohne bitteren Kummer und tiefen Schmerz.
Geisha-Charakter
Ich wiederhole mich zwar, aber früher hat es im Geisha-Gewerbe eine Art »Regelwerk« gegeben, das von selbst entstanden ist, und Geisha besaßen ihren Geisha-Stolz.
Karuta war eine hochklassige Geisha voller Stolz, die nieeine Nacht mit einem anderen Mann als ihrem Mäzen verbrachte. Das ist kein Keuschheits-Ideal, sondern ein trauriger Stolz. Der Stolz der Geisha ist nicht mal soviel wert wie zerschlissene Strohsandalen, und doch habe auch ich, wohl unter Karutas Einfluß, mir diesen unnützen Stolz
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