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Die letzte Kolonie

Titel: Die letzte Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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Kind, meine jugendliche Tochter. Bist du bereit zu gehen?«
    »Eine Sekunde noch.« Sie kehrte zum Grabstein zurück, kniete sich kurz hin und küsste ihn. Als sie wieder aufstand,
wirkte sie plötzlich wie ein verlegenes Kind. »Das habe ich auch beim letzten Mal gemacht, als ich hier war. Ich wollte nur sehen, ob es sich wieder genauso anfühlt.«
    »Und?«, fragte ich.
    »Ja«, sagte sie, immer noch verlegen. »Komm jetzt. Gehen wir.«
    Wir machten uns auf den Weg zum Ausgang des Friedhofs. Ich zog meinen PDA hervor und rief ein Taxi, das uns auflesen sollte.
    »Wie findest du es in der Magellan ?«, fragte ich, während wir gingen.
    »Interessant«, sagte Zoë. »Es ist schon lange her, seit ich das letzte Mal in einem Raumschiff war. Ich hatte ganz vergessen, wie das ist. Und dieses ist so groß .«
    »Darin müssen zweitausendfünfhundert Kolonisten mit ihrem ganzen Zeug Platz finden«, sagte ich.
    »Das ist mir schon klar. Ich meine ja nur, dass es riesig ist. Aber langsam füllt es sich. Immer mehr Kolonisten gehen an Bord. Ich habe ein paar kennengelernt. Leute in meinem Alter, meine ich.«
    »Waren nette Leute dabei?«
    »Ein paar. Es gibt da ein Mädchen, dass sich offenbar mit mir anfreunden möchte. Gretjen Trujillo.«
    »Trujillo?«
    Zoë nickte. »Ja. Wieso? Kennst du sie?«
    »Ich glaube, ich kenne ihren Vater.«
    »Die Welt ist klein.«
    »Und sie wird noch viel kleiner werden.«
    »Stimmt«, sagte Zoë und blickte sich um. »Ob ich wohl jemals hierher zurückkehren werde?«
    »Roanoke ist eine neue Kolonie. Nicht das Jenseits.«

    Darüber musste Zoë lächeln. »Du hast dir den Grabstein nicht sehr genau angesehen«, sagte sie. »Ich war schon im Jenseits. Von dort zurückzukehren ist kein Problem. Es ist das Leben, von dem man nicht loskommt.«

    »Jane macht ein Nickerchen«, sagte Savitri, als Zoë und ich zu unserer Kabine zurückkehrten. »Sie sagte, es geht ihr nicht so gut.«
    Ich zog verwundert die Augenbrauen hoch. Jane war der gesündeste Mensch, den ich jemals kennengelernt hatte – auch nachdem sie wieder in einen handelsüblichen menschlichen Körper transferiert worden war. »Ja, ich weiß«, sagte Savitri, als sie meine Reaktion bemerkte. »Ich fand es auch seltsam. Sie sagte, dass ich mir keine Sorgen machen soll. Sie wollte nur ein paar Stunden lang nicht gestört werden.«
    »Na gut«, sagte ich. »Danke. Zoë und ich wollten sowieso zum Freizeitdeck hinaufgehen. Wollen Sie mitkommen?«
    »Jane hat mich gebeten, ein paar Sachen zu erledigen, bevor ich sie wecke. Vielleicht ein andermal.«
    »Sie arbeiten viel mehr für Jane, als Sie jemals für mich getan haben.«
    »Das ist der Einfluss einer inspirierenden Führung«, sagte Savitri.
    »Nett«, sagte ich.
    Savitri machte eine abwehrende Geste. »Ich schicke Ihnen ein Signal auf Ihren PDA, wenn Jane aufgestanden ist. Jetzt gehen Sie bitte. Sie halten mich nur von der Arbeit ab.«
    Das Freizeitdeck der Magellan war wie ein kleiner Park angelegt. Hier wimmelte es von Kolonisten und ihren Familien, die die Ablenkungen begutachteten, die ihnen während
unserer einwöchigen Reise zur Verfügung standen, bis wir die Skip-Distanz und dann Roanoke erreicht hatten. Als wir eintrafen, wurde Zoë von drei jugendlichen Mädchen erspäht. Eins winkte, dass sie zu ihnen herüberkommen sollte. Ich fragte mich, ob es sich um Gretchen Trujillo handelte. Zoë ließ mich mit einem kurzen Abschiedsblick über die Schulter allein. Daraufhin spazierte ich auf dem Deck umher und beobachtete meine Kolonistenkollegen. Schon bald würden die meisten mich als den Leiter der Kolonie erkennen. Vorläufig jedoch war ich völlig damit zufrieden, anonym zu sein.
    Auf den ersten Blick schienen sich die Kolonisten frei umherzubewegen, doch nach ein paar Minuten bemerkte ich, dass sich stellenweise Gruppen bildeten, die sich von den anderen absonderten. Englisch war die gemeinsame Sprache aller Kolonien, aber auf jeder Welt gab es außerdem Zweitsprachen, Sprachen, die in den Herkunftsländern der ursprünglichen Siedler gesprochen wurden. Überall schnappte ich Brocken dieser verschiedenen Sprachen auf – Spanisch, Chinesisch, Portugiesisch, Russisch, Deutsch.
    »Offenbar hören auch Sie es«, sagte jemand hinter mir. Ich drehte mich um und sah Trujillo. Er lächelte. »All die unterschiedlichen Sprachen. Rudimente unserer Herkunft, wie Sie es vermutlich bezeichnen würden. Ich bezweifle, dass die Menschen diese Sprachen aufgeben werden, wenn wir auf Roanoke

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