Die letzte Minute: Thriller (German Edition)
Passwort?«
» Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Mütter meistens die Namen ihrer Kinder oder Haustiere als Passwörter verwenden. Einen Versuch war’s wert.«
» Wir wissen also, wann der Wächter kommt. Dazwischen ist genug Zeit, in der sich Jack mit August treffen kann.« Ich überlegte einige Augenblicke. » Ich glaube aber nicht, dass Jack sich in dem Haus einquartiert. Er würde ja auch riskieren, von einem Sicherheitsmann erwischt zu werden. Wir müssen jedenfalls einen Platz finden, von dem wir das Geschehen beobachten können.« Ich sah mich in der Straße um. » Da vorne ist ein Hotel.«
33
Hotel Esper, Williamsburg / The Last Minute Bar, Manhattan
Leonie nahm ein Zimmer für uns in dem luxuriösen Hotel, dessen Name – » Esper« – mir Rätsel aufgab. Stand er für esperanza, Hoffnung? Oder sollte er andeuten, dass man, solange man hier weilte, übersinnliche Fähigkeiten besaß, Extra Sensory Perception? Vom Fenster des Zimmers hatte man das Haus der Mings gut im Blick. Wir würden abwechselnd hier Wache halten. Falls irgendjemand – zum Beispiel ein Verräter bei der CIA – nach uns suchte, würde er eher nach einem Mann und einer Frau Ausschau halten, die in getrennten Zimmern eincheckten. Ich fuhr zurück zu unserem Hotel in Manhattan und wusch mein blutverschmiertes, schmutziges Gesicht. Bis auf das blaue Auge sah ich ganz okay aus, doch auch das war nicht so schlimm. Ich packte Leonies Aufzeichnungen zusammen und steckte sie in ihren kleinen Koffer. Schließlich zog ich frische Sachen an, nahm unser Gepäck und checkte für uns beide aus.
Mit dem Mietwagen fuhr ich zunächst zu meiner Bar, The Last Minute. Bertrand hob eine Augenbraue, als er mich mit dem Veilchen hereinkommen sah. Ich stieg sofort die Treppe hinauf. Ich hatte eine Wohnung hier oben, doch ich wollte Leonie nicht herbringen. Sie wusste bereits, dass mir die Canyon Bar in Las Vegas gehörte, mehr brauchte sie von meinen Geschäften nicht zu wissen. Und Mila wiederum sollte nicht erfahren, was ich tat.
Doch als ich die Tür öffnete, saß Mila am Computer, ein Glas Glenfiddich neben sich.
Sie tippte irgendetwas. Als sie zu mir aufblickte, wischte sie sich mit dem Handrücken über die Augen.
Weinte sie etwa? Ich hatte Mila noch nie weinend erlebt und konnte mir das bei ihr auch nicht vorstellen. Vielleicht hatte ich mich nur getäuscht.
» Du siehst scheiße aus«, bemerkte sie.
» Ich weiß. Bist du okay?«
» Ja. Was ist passiert?«
» Ich brauch ein paar Dinge.«
» Was hast du vor, Sam?«
» Ich hol meinen Sohn zurück. Und dazu gehört, dass du mir keine Fragen stellst, okay?«
Sie starrte mich an. Sie wusste so viel über mich, und ich so wenig über sie. Doch in diesem Fall war ich es, der Geheimnisse hatte.
» Du hast mich auch etwas gefragt. Und ich frage eben zurück«, sagte sie.
» Was meinst du?«
» Du wolltest wissen, warum so ein hohes Kopfgeld auf mich ausgesetzt ist. Ich schreibe dir gerade die ausführliche Antwort.«
» Ich hätte nicht gedacht, dass du der Typ für lange Essays bist.« Mila war eine Frau weniger Worte.
» Du wirst es nicht glauben, aber meine Aufsätze haben in der Schule Preise bekommen.« Ihre Finger wanderten zur Tastatur zurück, doch ihr Blick blieb auf mich gerichtet.
» In Moldawien ist der Preis wahrscheinlich eine Ziege, oder?«
» Nicht immer. Einmal hab ich ein Buch bekommen: Die Zeitfalte. Die Botschaft des Buches hab ich mir gemerkt: Gib nie auf im Kampf gegen die Finsternis.«
» Und die Liebe überwindet alles.«
» Genau, Samuil. Die Liebe überwindet alles. Oder zumindest versucht sie’s.« Sie wandte sich wieder dem Bildschirm zu.
» Und wann kriege ich deine Bekenntnisse zu lesen?«
» Die Verlage werden sich bestimmt darum reißen, sie werden wie die Gladiatoren um meine Geschichte kämpfen. Aber du darfst sie zuerst lesen. Sobald du mir sagst, was du vorhast und wie ich dir helfen kann.«
» Du hilfst mir am meisten, wenn du dich raushältst.« Ich ging in den Abstellraum und packte zwei Ferngläser, zwei kleine Taschenlampen und eine Glock in meine Tasche. Für Leonie wählte ich eine Beretta, zu ihrem Schutz. Dazu die entsprechende Munition. Außerdem nahm ich einen Burberry-Anzug mit, ein Hemd, eine Krawatte und passende Schuhe. Womöglich musste ich in eine bestimmte Rolle schlüpfen, um Jack anzulocken.
Mila stand in der Tür und sah mir zu. » Du brauchst deinen Kampf nicht allein zu führen.«
» Ich bin nicht allein.«
» Warum
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