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Die letzte Odyssee

Die letzte Odyssee

Titel: Die letzte Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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Mama seine Batterien nicht mehr aufladen konnte.«
    »Die meinen sind sicher bald wieder voll. Das wird mir eine Lehre sein. Wenn ich nicht mehr Sport treibe, muß ich noch auf die Mondschwerkraftetage umziehen.«
    Pooles gute Vorsätze hielten einen vollen Monat lang an: in dieser Zeit unternahm er täglich einen flotten Fünf-Kilometer-Marsch, jedesmal auf einer anderen Etage des Afrikaturms. Teils waren es riesige, leere Metallsäle, in denen jeder Schritt widerhallte und in die wahrscheinlich nie jemand einziehen würde. In anderen Räumen hatten sich im Laufe der Jahrhunderte die Architekten ausgetobt und sie in einer verwirrenden Vielfalt von Stilrichtungen gestaltet. Da und dort hatte man Anleihen bei früheren Zeiten und Kulturen genommen; anderswo deutete sich eine Zukunft an, die Poole nicht unbedingt erleben wollte. Wenigstens bestand nicht die Gefahr, daß er sich langweilte, außerdem wurde er oft in respektvollem Abstand von freundlich lächelnden Kindern begleitet. Doch die konnten nicht allzu lange mit ihm Schritt halten.
    Eines Tages marschierte Poole über eine sehr überzeugende – wenn auch ziemlich menschenleere – Kopie der Champs Elysées, als er plötzlich ein bekanntes Gesicht entdeckte.
    »Danil!« rief er.
    Der Mann drehte sich nicht um und reagierte auch nicht, als Poole ihn ein zweites Mal anrief.
    »Erinnern Sie sich nicht an mich?«
    Danil – inzwischen hatte Poole ihn eingeholt und war nun vollends sicher, wen er vor sich hatte – sah ihn aufrichtig verblüfft an.
    »Ich bedaure sehr«, sagte er. »Sie sind natürlich Commander Poole. Aber wir haben uns nie persönlich kennengelernt.«
    Jetzt war Poole derjenige, der verlegen wurde.
    »Wie dumm von mir«, entschuldigte er sich. »Ich muß Sie wohl verwechselt haben. Schönen Tag noch.«
    Dennoch freute er sich über die Begegnung. Danil war also wieder in die Gesellschaft integriert worden. Ob er nun jemanden mit einer Axt erschlagen oder nur seine Bücher nicht rechtzeitig der Bibliothek zurückgegeben hatte, ging seinen früheren Arbeitgeber nichts mehr an; die Rechnung war beglichen, der Fall abgeschlossen. Manchmal vermißte Poole die Verbrecherjagden, die er in seiner Jugend oft mit Genuß verfolgt hatte, aber die derzeitige Einstellung hatte wohl doch einiges für sich: allzu großes Interesse für pathologische Verhaltensweisen galt seinerseits als krankhaft.
    Mit Hilfe von Miss Pringle, Mk III, konnte Poole sein Leben so planen, daß er gelegentlich sogar die Zeit fand, sich zu entspannen, die automatische Suchfunktion seines Zerebralhelms einzuschalten und seine Interessengebiete zu durchstreifen. Außer mit seinen nächsten Angehörigen beschäftigte er sich immer noch hauptsächlich mit den Monden von Jupiter/Luzifer, nicht zuletzt deshalb, weil er auf diesem Gebiet als führender Experte galt und ständiges Mitglied des Europa-Komitees war.
    Das Komitee war vor fast tausend Jahren gegründet worden, um Vorschläge zu erarbeiten, was in Bezug auf diesen geheimnisvollen Satelliten gegebenenfalls unternommen werden konnte und sollte. Im Lauf der Jahrhunderte hatte es Unmengen von Informationen gesammelt, angefangen mit dem Material der
Voyager
-Sonden von 1979 und den Untersuchungsergebnissen der ersten Umkreisungen des Orbiters
Galileo
im Jahre 1996 – ein Jahr vor Pooles Geburt.
    Wie es bei so alten Institutionen oft zu beobachten ist, war das Europa-Komitee im Lauf der Zeit zusehends verknöchert und trat nur noch zusammen, wenn es eine neue Entwicklung gab. HALmans Wiederauftauchen hatte es jäh aus seinem Dornröschenschlaf gerissen. Man hatte eine neue, dynamische Vorsitzende gewählt, und deren erste Amtshandlung hatte darin bestanden, Poole in den Vorstand zu berufen.
    Poole konnte zwar kaum etwas beitragen, was nicht schon irgendwo aufgezeichnet war, aber er schloß sich dem Komitee gerne an. Zum einen war es natürlich seine Pflicht, sich zur Verfügung zu stellen, zum anderen hatte er damit ein Amt, und das hatte ihm gefehlt. Bisher war er nur eine Art ›Nationalheiligtum‹ gewesen, wie man früher gesagt hätte, und das war ihm ein wenig peinlich. Er hatte weiter nichts dagegen, sich von einer Welt, deren Reichtum sich frühere, von Kriegen zerrissene Zeiten nicht einmal in ihren kühnsten Träumen vorgestellt hätten, ein Luxusleben finanzieren zu lassen, aber er spürte doch den Wunsch, seine Existenz zu rechtfertigen.
    Einen zweiten Wunsch gestand er sich nur selten ein. Bei ihrer unheimlichen Begegnung

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