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Die letzte Odyssee

Die letzte Odyssee

Titel: Die letzte Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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solange der Untergrund halbwegs eben war, auf Ballonreifen. Es konnte jedoch auch – in etwa zwanzig Zentimetern Höhe – auf einem Luftkissen fliegen, das von kleinen, aber sehr starken Ventilatoren erzeugt wurde. Poole war überrascht, daß diese primitive Technik immer noch in Gebrauch war, aber für den Einbau in so kleine Fahrzeuge waren die Geräte zur Inertialsteuerung zu unhandlich.
    Der Luftkissenstuhl war so bequem, daß er kaum spürte, wie er an Gewicht zunahm, während er dem Herzen Afrikas entgegenschwebte; zwar litt er etwas unter Atemnot, aber das hatte er im Astronautentraining weit schlimmer erlebt. Nicht vorbereitet war er auf die Backofenhitze, die ihm entgegenschlug, als er aus dem Turmfundament rollte, einem bis an die Wolken reichenden Riesenzylinder. Dabei war es noch früh am Morgen; wie mochte es da erst am Mittag sein?
    Kaum hatte er sich an die Hitze gewöhnt, als ein Angriff auf seinen Geruchssinn erfolgte. Zahllose Düfte – nicht unangenehm, aber durchweg unbekannt – wetteiferten um seine Aufmerksamkeit. Er schloß ein paar Minuten die Augen, um eine Überlastung seiner Input-Schaltkreise zu vermeiden.
    Bevor er sich noch entschließen konnte, sie wieder zu öffnen, begann ein dickes, feuchtes Etwas seinen Nacken zu bearbeiten.
    »Darf ich Ihnen Elizabeth vorstellen?«, sagte sein Führer, ein stämmiger, junger Mann im traditionellen Kostüm des Großen Weißen Jägers – obwohl der elegante Anzug sicher niemals auf einer Jagd getragen worden war. »Sie ist unsere Empfangsdame.«
    Als Poole sich umdrehte, schaute er in die seelenvollen Augen eines Elefantenbabies.
    »Hallo, Elizabeth«, antwortete er mit etwas zittriger Stimme. Elizabeth hob grüßend den Rüssel und gab ein Geräusch von sich, das in anständiger Gesellschaft normalerweise verpönt, in diesem Fall aber sicher gut gemeint war. Länger als eine Stunde hielt er es auf dem Planeten Erde insgesamt nicht aus. Er fuhr am Rand eines Dschungels mit verkümmerten Bäumen – kein Vergleich mit den Gewächsen von Skyland – entlang und machte mit vielen heimischen Tieren Bekanntschaft. Sein Führer entschuldigte sich für die Zutraulichkeit der Löwen – sie waren von den Touristen verdorben – doch die Krokodile mit ihren grimmigen Mienen vermittelten dafür umso mehr den Eindruck reiner, unverbildeter Natur.
    Bevor Poole in den Turm zurückkehrte, stand er aus seinem Luftkissenstuhl auf, um ein paar Schritte zu gehen. Er wußte im voraus, daß die Anstrengung so groß sein würde, als trüge er sich selbst auf dem Rücken, aber das traute er sich zu, und er hätte sich nie verziehen, es nicht wenigstens probiert zu haben.
    Er hätte besser darauf verzichtet. Vielleicht wäre es in einem kühleren Klima leichter gewesen. Hier hatte er jedenfalls nach einem Dutzend Schritten genug und war froh, wieder in den schwellenden Polstern versinken zu können.
    »Das reicht«, sagte er müde. »Ich möchte in den Turm zurück.«
    Als er in die Fahrstuhlhalle rollte, fiel ihm ein Schild auf, das er bei der Ankunft in seiner Aufregung wohl übersehen haben mußte:
     
    WILLKOMMEN IN AFRIKA!
    ›In der Wildnis liegt das Heil der Welt.‹
    HENRY DAVID THOREAU (1817-1862)
     
    Der Führer bemerkte seinen interessierten Blick und fragte: »Haben Sie ihn gekannt?«
    Fragen dieser Art mußte Poole sich allzu oft anhören, doch in diesem Moment hatte er einfach nicht mehr die Kraft, die Dinge richtigzustellen.
    »Ich glaube nicht«, sagte er müde, dann schlossen sich die großen Türen, und die Bilder, die Gerüche und die Geräusche der ersten Heimat der Menschheit blieben hinter ihm zurück.
    Die Vertikalsafari hatte seine Sehnsucht nach der Erde mehr als gestillt. Er wollte sich keinesfalls anmerken lassen, daß ihm alles weh tat, doch als er sein Appartement auf Etage 10000 – selbst in dieser demokratischen Gesellschaft eine exklusive Wohngegend – betrat, sah er so mitgenommen aus, daß Indra erschrak und ihn sofort ins Bett steckte.
    »Wie Antaios – nur umgekehrt!« murrte sie.
    »Wer?« fragte Poole. Gelegentlich fühlte er sich von der Gelehrsamkeit seiner Frau ein wenig erdrückt, aber er hatte sich fest vorgenommen, sich niemals einen Minderwertigkeitskomplex einreden zu lassen.
    »Der Sohn der Erdgöttin Gaia. Herkules hat mit ihm gekämpft – aber jedesmal, wenn Antaios zu Boden geworfen wurde, wuchsen ihm neue Kräfte zu.«
    »Wer hat gewonnen?«
    »Herkules natürlich – er hat Antaios in die Höhe gehalten, damit

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