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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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einem flinken Gebirgsbach. Das Fahren machte einfach Spaß.
    Am Himmel zogen die Wolken rasch vorüber. Die Dinge waren in Bewegung. Der freundliche Spätsommer, der sie in den vergangenen Tagen überall auf ihrer Reise begleitet hatte, begann zu schwächeln.
    Amadeo schaltete das Autoradio leise an. Auf dem Fernseher in ihrem Motelzimmer hatten sie am Morgen einen Bericht verfolgt, in dem es um die Schießerei auf dem Gelände des Klosters Maria Laach ging. Der Korrespondent hatte Verwicklungen der internationalen Kunstschieberszene vermutet. Jetzt interessierte Amadeo, wie es zu Hause aussah. Rasch hatte er auf Mittelwelle ein italienisches Programm gefunden und wartete gespannt auf die Ein-Uhr-Nachrichten.
    Kein Wort mehr von der Bluttat in der officina , aber damit hatte er auch nicht gerechnet. Das Volk gierte längst nach neuen Sensationen, und so sensationell waren sie letztlich doch nicht. In Apulien war der Wassernotstand auf ein Dutzend weiterer Distrikte ausgedehnt worden, denn allen Gegenmaßnahmen zum Trotz war die Dürre in diesem Sommer noch ausgeprägter als in den Vorjahren. Tausende bäuerlicher Betriebe standen vor dem Ruin, wenn ihnen nicht zusätzliche staatliche Reserven gewährt wurden.
    Damit halten sie noch ein Jahr durch, dachte Amadeo, oder zwei. Wenn die vorüber sind, wandern noch mehr Menschen in die Städte ab — und stellen fest, dass es dort auch keine Arbeit gibt für sie.
    Die Sprecherin war schon beim nächsten Thema. Die Regierung stand kurz vor dem Bruch, zum dritten oder vierten Mal in diesem Jahr, und der Ministerpräsident mahnte zum Durchhalten, bis seine Reformen... Amadeo konnte es nicht mehr hören. Weitere Details zur ersten Enzyklika von papa Pio waren durchgesickert. Offenbar beabsichtigte der pontifice die sich ständig verschlechternde Situation der Bootsflüchtlinge zum Thema zu machen, der vielen Tausende verzweifelter Menschen aus der Dritten Welt, die über das Mittelmeer das Territorium der Europäischen Union zu erreichen versuchten.
    Ein geschickter Schachzug, dachte Amadeo. Tu Gutes und rede darüber. Und wenn du schon nichts tust, dann rede wenigstens. Die wirklich wichtigen Entscheidungen, diejenigen, die »nicht populär« waren, wie Bracciolini sich so hübsch ausgedrückt hatte, hängten sie nicht an die große Glocke von San Pietro. Niccolosi war tot, Sheldon war tot, Amadeo und Rebecca selbst nur durch pures Glück noch am Leben, und papa Pio mit seinem milden Lächeln sorgte sich um arme Einwandererkinder. Eine äußerst christliche Aufgabenverteilung.
    Und Lazio hatte wie erwartet gegen AS Rom verloren.
    »Gibt es eigentlich auch gute Nachrichten?«, murmelte Amadeo.
    Gerade als draußen das Hinweisschild »Weltkulturerbe Nürnberg« vorbeizog, meldete sich Rebeccas Handy, und sie tastete verschlafen nach dem Gerät. Amadeo wollte ihr helfen, bekam aber nur ihr Knie zu fassen.
    »Hast du denn gar nichts anderes im Kopf?«, knurrte sie, gab ihm eins auf die Finger und nahm gleichzeitig das Gespräch an. »Sí?«
    Die Unterhaltung war kurz. Rebecca nickte mehrfach und sagte etwas, das wie eine Bestätigung klang, dann sah sie auf die Uhr. »¿A las cinco? ¡Es aún temprano!« Sie schüttelte heftig ihre Mähne, die leuchtete wie ein kupferner Wasserfall. »Seis menos cuarto« , sagte sie mit fester Stimme, den Rest verstand er nicht. Triumphierend drückte sie die Taste, um das Gespräch zu beenden, und grinste ihn an. »Frau Ruskowskaja ist bereit, der New York Times ein Interview zu geben«, verkündete sie.
    »Ah ja?« Amadeo sah sie an. »Was hat das bitte schön mit uns zutun?«
    »Manchmal bist du fürchterlich fantasielos, weißt du das?«
    »Was erwartest du?«, fragte er verschnupft. »Ich bin klassischer Philologe und Restaurator!«
    Sie kicherte. »Stimmt. Das Interview werden natürlich wir beide führen.«
    »Was?« Amadeo verriss das Steuer.
    »Meine Leute haben ein paar Verbindungen spielen lassen. Mafalda hat seit Monaten keine Interviews mehr gegeben, deshalb mussten sie mit etwas kommen, das sie unmöglich ablehnen konnte. Wir werden sie also zu ihrem Leben ohne Musik befragen.«
    »Was sollen wir da fragen?« Amadeo entschuldigte sich bei einem schimpfenden Mercedesfahrer. »Ich weiß ja nicht mal was über ihr Leben mit der Musik! Ich verwechsle die immer mit der andern, die, die sich die mam-melle...«
    »Ts, ts.« Rebecca schüttelte den Kopf. »Exakt, das war die andere. Möpse größer, Möpse kleiner, dreimal hin und her.

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