Die letzte Offenbarung
der von jeher Männer...«
»Halten Sie den Mund!«, kreischte die Tochter des capo . »Hure!«, spie sie. »Hure!« In ihren Augen loderte die Flamme des Fanatismus. »Flieht die Hurerei , spricht Paulus der Apostel! Flieht die Hurerei, oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt, so dass ihr nicht euch selbst gehört!« Sie fixierte Amadeos Begleiterin, als könnte allein ihr Blick die rothaarige Frau töten.
»Wie sind Sie denn drauf?«, fragte Rebecca.
»Schweig, Hure! Der Herr wird alle vernichten, die wider seinen Willen handeln!«
»Dann hat er sich bei uns aber Zeit gelassen«, bemerkte Rebecca. »Oder hat er vielleicht gar nichts gegen das, was wir tun?« Sie hob die Schultern. »Vielleicht ist er ja auf Ihre Hilfe angewiesen?«
Angespannt lauschte Amadeo dem Wortwechsel. Verdammt, was redete Rebecca da? Oder hatte sie etwa einen Plan?
Und Chiara! Herr im Himmel, wie hatte er sich so sehr täuschen können? Natürlich, sie stammte aus einer alten römischen Familie, wie sie konservativer kaum denkbar war, doch dieser Fanatismus, dieser blanke Hass... Der Hass auf Männer. Wie hatte er den übersehen können? Es musste Zeichen gegeben haben!
Er sah zwischen den beiden Frauen hin und her: eine schöner als die andere, keine Frage, und doch so unterschiedlich wie Himmel und Hölle — wobei Rebecca ohne jeden Zweifel der Höllenpart zufallen würde, so wie sie im Augenblick aussah.
Die Hölle war schon immer attraktiver gewesen.
»Das maße ich mir nicht an«, erwiderte Chiara mit mühsamer Beherrschung. »Die Macht Gottes des Herrn ist größer als alles, was Menschen vollbringen könnten, doch wenn der Herr mich zu seinem Werkzeug auserwählt, bin ich voller Dankbarkeit und Demut.« Ein Funkeln trat in ihre Augen. »Sie!« Sie starrte Amadeo an, und der Wahnsinn leuchtete aus ihrem Blick. »Ihre beständigen Provokationen! Und Ihre honigsüßen Worte, mit denen Sie versucht haben, sich in die officina zu drängen, in das Herz meines alten Vaters! Das war Ihr Plan! Und dann: Ihr teuflischer Angriff auf die Heilige Mutter Kirche mit Ihren Papyri und Ihren Lügen! Sie sind ein Satan, Fanelli! Ein Satan!« Sie trat einen Schritt näher an ihn heran. »Ich wollte Sie vernichten! Aber es war der Wille des Herrn, dass es mir an jenem Abend nicht gelungen ist. Es war gut so, dass es mir nicht gelungen ist, denn ich wäre nicht dabei gewesen! Ich hätte Ihren feigen, verzweifelten Blick nicht gesehen!«
»An jenem Abend? Nicht dabei gewesen?« Verwirrt blickte er sie an, und eine Gänsehaut überzog seinen Körper. »Die officina?« , flüsterte er. »Der Abend, an dem Niccolosi...« Ein schrecklicher Verdacht keimte in ihm auf.
»Sie sollten sterben!«, flüsterte Chiara. »Sie und der alte Lump aus Deutschland! Seine Eminenz hatte mir die Erlaubnis gegeben, den Befehl zu erteilen. Also schickte ich die Männer in die officina und gab Anweisung, die beiden Männer zu töten, die sie dort finden würden. Den Älteren, vor allem aber den Jüngeren. Lasst sie büßen für das, was sie getan haben, und spart nicht an Schmerz, denn wenn ihre Seelen geläutert werden können, wird der Schmerz sie läutern. Sind sie aber nicht zu läutern, soll der Schmerz der Lohn sein für ihre Schändlichkeit. Stattdessen«, sie lachte wie eine Irrsinnige, »trafen sie auf den alten Sodomiten und seinen Gespielen, den Älteren und den Jüngeren, und so empfingen diese beiden den Lohn für ihre Verirrungen, wie Paulus es befiehlt, der heilige Apostel.«
»Paulus!« Amadeo schluckte die Bemerkung herunter, die ihm auf der Zunge lag. Die Kälte, die er empfand, kam von ganz innen. Es fühlte sich an, als würde ihm nie wieder warm werden.
»Wie es aussieht, haben wir nun wohl ein Patt«, sagte Rebecca ruhig, den Blick hart an Chiara vorbei gerichtet.
Irritiert schaute Amadeo in dieselbe Richtung, aber dort war nichts, nur ein leerer Säulengang, dessen Fenster auf die Piazza di San Pietro hinabblickten. Sie mussten sich oberhalb der mächtigen Portale der päpstlichen Basilika befinden.
Chiara wurde unsicher — nur für einen Augenblick.
Doch das genügte Rebecca. Auf einmal war ihre Waffe auf die blonde Frau gerichtet.
Die Augen von Giorgio di Tomasis Tochter verengten sich.
»Wie gesagt«, lächelte Rebecca. »Ein Patt.«
Solche Patts sind offenbar eine Spezialität der »Firma«, dachte Amadeo.
Auch auf Chiaras Mund trat jetzt ein Lächeln,
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