Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition)
Fall befasst war, den dieser für simpel hielt: In Dublin war ein Mann, David Brine, entführt worden, wahrscheinlich hatten Exfrau und Bruder gemeinsame Sache gemacht und ihn verschwinden lassen, um die saftige Lebensversicherung einzustreichen. Da die Ermittler ihnen auf den Fersen waren, hatten die zwei versucht, ihre Spuren zu verwischen, doch ein Indiz hatte sie verraten. Sie waren in Turin, bei einem Bekannten von Brine, und Santovito brauchte sie sich in Giuseppe Russos Wohnung nur abzuholen, doch das Pärchen hatte sich auch von dort aus dem Staub gemacht. Er hatte bemerkt, dass ihnen womöglich die Überwachungskamera eines Juwelierladens weiterhelfen konnte, hatte sich die Videoaufzeichnungen besorgt und stundenlanggrobkörnige Bilder angesehen, bis zu der Stelle, wo die beiden Verdächtigen Russos Haus verließen, gegen zwölf Uhr mittags am Vortag. Und da hatte er eine Überraschung erlebt: Auf dem Video sah man, wie Brine und die Frau von mehreren Männern überfallen, betäubt und in einen Lieferwagen gesteckt wurden. Mindestens einer der Männer hatte eine arabische Physiognomie. Die Analogie zu David Brines Entführung war offensichtlich.
»Halt hier an«, sagte der Commissario plötzlich. »Und zoom das heran.«
Der Techniker wählte das Einzelbild aus und vergrößerte es so weit wie möglich: Man konnte die ersten drei Zeichen eines Nummernschildes sehen: DB2.
»Was, meinst du, ist das für ein Lieferwagen?«, fragte Santovito den Techniker.
»Kann ich nicht erkennen.«
»Dann lass einen Spezialisten kommen.«
Santovito griff zum Telefon, las auf dem Post-it Goonans Nummer und wählte sie rasch.
Nach dem vierten Klingeln hörte er eine Stimme antworten: »Inspector Goonan.«
»Hier spricht Santovito, aus Turin.«
»Neuigkeiten?«
»Ja, und zwar eine faustdicke.«
Goonan wartete schweigend. Der andere ließ einige Sekunden verstreichen, dann verkündete er: »Alanna Hamdis und Liam Brine sind entführt worden.«
»Entführt?«, wiederholte Goonan verblüfft.
»Wir haben ein Video.«
»Und wer war es?«
»Araber, wie es scheint.«
Es entstand eine Pause. »Das bestätigt unsere Theorie«, brüstete sich Goonan, der in Wahrheit seine Überraschungüberspielen wollte. »Ich muss Ihnen eine absolut vertrauliche Information weitergeben, Commissario. Sie kommt direkt vom MI6.«
Diesmal war Santovito es, der auf die Folter gespannt wurde.
Goonan erzählte ihm, was man nach dem Anschlag in Ägypten entdeckt hatte: die DNA David Brines unter den Überresten der Opfer. Es war klar, dass über all diesen Indizien bedrohlich der Schatten des internationalen Terrorismus hing.
»Inspector Goonan«, schloss Santovito, »ich setze Sie vorab über den Antrag in Kenntnis, den ich bei Interpol stellen werde: Könnten Sie so schnell wie möglich hierher nach Turin kommen?«
70
Ort: Turin
Weltzeit: Sonntag, 28. Juni, 16.30 Uhr (GMT)
Ortszeit: 18.30 Uhr
Rund um die Öffnung waren die Reste des herausgerissenen Teppichbodens verstreut. Liam schob den Kopf über die Luke. Aus dem Dunkel stieg ein penetranter Geruch nach schimmeligem Putz. Der Schacht war absolut senkrecht, seitlich in der Wand war eine Stahlleiter verschraubt. Er drehte sich zu Alanna um, mit unschlüssiger Miene. »Scheint ein Brunnenschacht zu sein. Wo zum Teufel führt der wohl hin?«
»Lass uns erst einmal feststellen, wie tief er ist«, sagte sie mit gewohntem Pragmatismus.
»Wir haben nicht einmal eine Taschenlampe …«, bemerkte er.
Sie nahm einen x-beliebigen Band aus der Bibliothek, trat an die Luke und ließ das Buch hinabfallen. Liam zählte langsam bis zwei, ehe er einen dumpfen Schlag hörte.
»Das werden ungefähr fünfzehn Fuß sein«, schätzte sie.
»Lass uns hinabsteigen«, entschied Liam. Er stemmte die Arme auf den Rand der Luke und setzte den Fuß auf eine der Stahlsprossen, um ihre Belastbarkeit zu testen. Befriedigt riet er Alanna: »Warte, bis ich unten bin, bevor du nachkommst.«
Er fing an, vorsichtig Sprosse für Sprosse hinabzusteigen.
In der Finsternis dröhnte sein Herzschlag noch lauter, er spürte ihn bis in die Schläfen. Er hob den Kopf: Mit jederStufe wurde das helle Quadrat über ihm kleiner. Er blieb stehen, vor Angst wie gelähmt, in der Dunkelheit konnte er nicht einen Schritt weiter. Er atmete drei Mal tief ein.
»Alles in Ordnung?«, hörte er von oben Alannas Stimme wie aus weiter Ferne.
»Ja«, antwortete er mit Mühe. Er musste all seine Selbstbeherrschung aufbringen, um
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