Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition)
Zwanzig-Euro-Schein, sein Handy heraus.
Liam tippte auswendig eine Nummer ein, und dann stellte er den Lautsprecher an.
»Päpstliche Universität San Tommaso d’Aquino«, antwortete eine weibliche Stimme. »Womit kann ich dienen?«
»Guten Tag«, grüßte Liam auf Englisch. »Ich würde gerne mit dem Pater Bibliothekar Francesco Aldobrandi sprechen.«
»Wen bitte darf ich melden?«
Er zögerte einen Moment. »Mein Name ist … Thomas Cruel.«
»Ich suche ihn.«
Liam wartete, während Alanna ihn neugierig betrachtete. Nach über einer Minute hörte man Aldobrandis Bass: »Es gibt nur einen, der sich als Tommaso Crudeli ausgeben könnte … Ciao, Liam, wo bist du?«
»Ciao, Francesco. Entschuldige diese Finte, um dich ans Telefon zu holen, aber es ist dringend.«
»Was ist los?«, fragte der Mönch mit besorgter Stimme.
»Ich werde dir alles so bald wie möglich erklären. Jetzt brauche ich deine Hilfe, bitte.«
»Sehen wir, was ich tun kann«, antwortete Aldobrandi ernst.
»Wenn ich dir von einer Insel in der Diözese Mailand erzähle, die von Schlangen und Drachen verseucht ist, was fällt dir dann ein?«
»Schlangen und Drachen, hast du gesagt?«
»Ja.«
Es entstand eine lange Pause.
»Da fällt mir die Insel Egina ein.«
»Liegt die in Norditalien?«
»Nein. In Griechenland.«
Alanna riss erstaunt die Augen auf.
»Tut mir leid, Francesco, vielleicht habe ich mich nicht klar ausgedrückt …«, hakte Liam ein.
Vom anderen Ende der Leitung kam ein Seufzen. »Sei nicht so ungeduldig und lass mich ausreden«, sprach der Mönch in ernstem Ton weiter.
»Entschuldige, Francesco, bitte fahr fort.«
»Von der Insel Egina, in Griechenland, brachen Ende des vierten Jahrhunderts zwei Brüder auf: Giulio und Giuliano. Und sie kamen bis Cusio, das heute halb zur Provinz Novara und halb zur Provinz Verbania gehört …«
»Novara hast du gesagt?«
»So unterbrich mich doch nicht immer! Die beiden begannen, mit Zustimmung des Kaisers Theodosius, heidnische Tempel einzureißen und Kirchen zu bauen. Sie bauten neunundneunzig. Dann fing Giulio alleine an, eine Stelle zu suchen, wo die hundertste entstehen sollte. Und er fand den idealen Ort: eine Insel mitten in einem See …«
»Die Isola Madre!«, rief Liam begeistert aus.
»Ach was!«, sagte Aldobrandi unwirsch. »Wenn du mich ausreden lässt, komme ich zu deinen Drachen.«
»Entschuldige.«
»Also: Nach der Legende breitete Giulio, als er niemanden fand, der ihn übersetzen wollte, seinen Mantel aufs Wasser, und damit fuhr er zur Insel. Hier besiegte er die Drachen und Schlangen, die dort hausten, und legte den Grundstein für die hundertste Kirche: an derselben Stelle, an der sich heute die Basilika San Giulio befindet, auf der gleichnamigen Insel.«
»In der Diözese Mediolanum?«
»Damals schon.«
»Und heute?«
»Heute liegt das im Piemont. In der Mitte des Lago d’Orta.«
81
Ort: Turin
Weltzeit: Montag, 29. Juni, 10.51 Uhr (GMT)
Ortszeit: 12.51 Uhr
Für Inspector Goonan hatte sich der offene Fall einer Zeugenaussage des Trunkenboldes Larry Bohan wahrlich in einen Riesenschlamassel verwandelt. Zu einer angeblichen Entführung bei Dublin waren innerhalb weniger Tage ein Blutbad in einem ägyptischen Suq und eine zweifache Freiheitsberaubung in Turin hinzugekommen. Für Goonans Dienstakte konnte sich das als äußerst positiv erweisen – oder als verheerend.
Heaney und Santovito gegenüber hatte er sich jedenfalls als loyaler Partner erwiesen und sie über alles unterrichtet, was er wusste, ausgenommen seine anfänglichen Schnitzer und, wie von Colin Doyle angeordnet, die »digitale Apokalypse«.
Jetzt hing alles von dem Autokennzeichen ab, das er auf einer Fotografie betrachtete, die sie ihm in die Hand gedrückt hatten.
»Was ist dieser Lieferwagen für ein Modell?«, fragte er Santovito.
»Laut Zulassungsstelle«, mischte Heaney sich ein, »ein Fiat Scudo.«
»Habt ihr überprüft, auf wen er zugelassen ist?«
Commissario Santovito warf ihm einen herablassenden Blick zu. »Natürlich«, antwortete er in seinem astreinen Englisch.
Goonan tat, als wäre nichts gewesen. »Wem gehört er?«, fragte er.
»Nolauto Piemont«, schaltete sich wieder Heaney ein. »Ein lokaler Mietwagenverleih. Ein Saudi hat ihn geliehen, ein gewisser Talal Ben Abdul, wohnhaft in Riad. Bei einer Überprüfung wurde festgestellt, dass die Papiere falsch sind.«
»Er wird ja wohl eine Kreditkartennummer angegeben haben«, warf Goonan nervös
Weitere Kostenlose Bücher