Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition)
dunklen Holztür stehen. Liam bemerkte, dass auch hier jeglicher Hinweis auf den Namen des Bewohners fehlte. Umso besser: das schien ein ideales Versteck zu sein.
»Giuseppe«, schrie das Mädchen, nachdem sie aufgeschlossen hatte, »hier sind zwei, die dich sprechen wollen.«
Sie traten ein. Liam und Alanna waren beeindruckt von der prachtvollen Diele: ein großer, rechteckiger Raum mit einer mindestens vier Meter hohen Kassettendecke. Das Parkett hatte zwar im Laufe der Jahre gelitten, zeigte aber wunderschöne geometrische Muster, während die Möbel, wenn auch nicht wertvoll, so doch antik zu sein schienen. Alles sah gewollt unordentlich aus: Fotos und Zeichnungen, die mit Tesafilm an die Wand geklebt waren, Bücherstapel auf dem Fußboden, hier und da lagen Klamotten und Schuhe herum, in einer Ecke lehnten ein Mountainbike und ein Paar Skier, eine Garderobe war unter Hemden und Pullovern begraben. Es sah aus wie in einer Art Hippiekommune.
Aus einer Tür trat ein baumlanger Bursche zwischen fünfundzwanzigund dreißig, er trug einen tadellosen Nadelstreifenanzug und eine Regimental-Krawatte, in schreiendem Kontrast zu der ganzen Umgebung und dem Mädchen mit den lila Haaren. »Liam«, rief er aus und ging auf den Professor zu, um ihn zu umarmen. »Was für eine schöne Überraschung!«
»Wenn deine Mitbewohnerin nicht gewesen wäre«, antwortete Liam lächelnd, »hätten wir den ganzen Tag da unten stehen können.«
»Du hast recht: An der Klingel steht Alfieri, das ist mir erst hinterher eingefallen. Aber ich habe dir eine SMS geschickt, hast du die nicht gesehen?«
»Ich hatte ein Problem mit meinem Handy«, überging Liam schnell das Thema. »Aber darf ich dir meine … Assistentin vorstellen, Frau Doktor Alanna Hamdis.«
»Wir haben schon am Telefon miteinander geredet. Sie sprechen exzellent Italienisch …«, sagte Russo mit einem galanten Lächeln und gab ihr die Hand. »Kommt, setzen wir uns ins Wohnzimmer«, fügte er dann hinzu und forderte sie auf, ihm zu folgen. Der Raum nebenan war noch beeindruckender als die Diele: fast dreimal so groß, der Fußboden mit Teppichen ausgelegt, darauf vier unterschiedliche alte Ledersofas, die ein Quadrat bildeten. Auf dem niedrigen Couchtisch in der Mitte waren mindestens vier Konsolen von Playstations zu großen Knäueln verheddert. Zwischen zwei Sofas thronte ein großer Plasma-Fernseher. Das Mädchen mit den lila Haaren winkte zum Abschied und verschwand seitwärts in einem Zimmer.
»Du lässt es dir gutgehen, wie?«, bemerkte Liam, nachdem sie sich gesetzt hatten, mit einem Blick in die Runde.
»Im Gegenteil«, lächelte Russo, »die Wohnung ist traumhaft, aber um die Miete zu bezahlen, wohnen wir hier zu fünft.«
»Und wo sind die anderen?«
»Nun, Alessandra habt ihr gerade kennengelernt. Luca undStefano sind im Polytechnikum, die sehen wir nur zum Abendessen, wenn überhaupt. Und dann gibt es noch Anna, die gerade ihren Facharzt macht und mehr im Krankenhaus als zu Hause ist.«
»Du leidest sicher nicht unter Einsamkeit«, scherzte Liam.
»Bis letzte Woche waren wir sogar zu sechst. Da war noch eine saublöde Französin … vergessen wir’s. Die haben wir schließlich auf die Straße gesetzt, aber sie schuldet uns noch drei Monatsmieten.« Russo machte eine Pause. »Wollt ihr einen Kaffee?«
Liam und Alanna schüttelten den Kopf. »Nein danke, wir haben eben erst einen getrunken.«
Ein verlegenes Schweigen machte sich breit.
»Was treibst du hier in der Gegend?«, fragte Russo schließlich, ohne eine gewisse Beunruhigung zu verbergen.
Liam wartete einen Moment, ehe er antwortete. »Das ist wirklich eine außergewöhnliche Situation, Giuseppe«, sagte er todernst. »Ich weiß, dass dir das komisch vorkommen wird, aber ich brauche deine Hilfe.«
»Ich stehe ganz zu deiner Verfügung«, antwortete der Student alarmiert. »Was brauchst du?«
»Eine Unterkunft für mich und Alanna, für ein paar Tage.«
Russo schaute ihn ungläubig an. Dann fixierte er Alanna. Irgendetwas passte da nicht zusammen. Wie war es möglich, dass sein ehemaliger Theologie-Professor von der PUST unangekündigt nach Turin geschneit kam und wie ein Flüchtling um Asyl bat? Und welche Rolle spielte diese bildschöne Frau mit den orientalischen Zügen, die sich als seine Assistentin ausgab? Was zum Teufel lief da eigentlich? Hatten sie ein Verhältnis? Und wenn dem so war, warum gingen sie nicht ins Hotel?
Liam schien seine Gedanken zu lesen. »Bevor du dich zu
Weitere Kostenlose Bücher