Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition)
einprasselnden Beleidigungen an, ohne mit der Wimper zu zucken. Generaldirektor Lucien Ducasse dagegen stand, und er war außer Rand und Band. Seine stets sonnengebräunte Haut hatte einen Violettton angenommen, die stets gescheitelten weißen Haare waren zerzaust und die Venen am Hals dermaßen geschwollen, dass er die Krawatte hatte lockern und den Hemdkragen aufknöpfen müssen. Auf seinem Schreibtisch lagen verschiedene Papiere verstreut, aus denen ein Histogramm im DIN-A3-Format hervorstach, dessen Balken steil nach unten zeigten: in konkreten Zahlen ein Nettoverlustvon zehn Millionen Euro. So viel hatte Dumonceau am Vortag verzockt.
»Ich habe in meinem ganzen Leben noch niemanden gesehen, der an einem einzigen Tag so viel Bockmist gebaut hätte!«, fuhr Ducasse fort. »Und noch dazu ohne jede Genehmigung! Du dämliches Arschloch!«
Der Direktor schien sich für einen Moment zu beruhigen und ließ sich, als wäre sein Ausbruch vorbei, in den Sessel fallen.
Auch in der darauffolgenden Pause blieb Dumonceau stumm.
Ducasse nahm das Histogramm und wedelte damit vor dem Gesicht seines Angestellten herum. »Hier kommst du nur auf zwei Arten wieder heraus, Dumonceau«, sagte er ernst. »Entweder findest du einen Weg, die Verluste wieder hereinzuholen und zu verschwinden, oder du wanderst auf direktem Weg in den Knast.«
Sein Gegenüber wartete einen Augenblick, ehe er antwortete.
»Es gibt noch einen Weg«, erwiderte er dann ruhig. »Wir könnten zu einer Schlichtung gelangen.«
»Eine Schlichtung«, wiederholte Ducasse ungläubig. »Wie kommst du auf die Idee, dass die Compagnie Financière Suisse sich auf eine Schlichtung mit einem Dilettanten einlassen sollte, der all diesen Scheiß gebaut hat?« Er warf ihm einen verächtlichen Blick zu. »Wir werden nicht einen Euro aufbringen, Dumonceau, das kannst du vergessen. Und du hast hier drinnen absolut keinen Handlungsspielraum mehr. Wir haben dein Kunden-Portefeuille geschlossen. In diesem Moment bist du genau so viel wert, wie du draufhast: nichts.«
»Ich weiß, dass ich ungeschoren hier rauskomme«, sagte Dumonceau arrogant.
»Und wie? Hast du im Kasino zehn Millionen Euro gewonnen?«, fragte Ducasse sarkastisch.
»Besser«, erwiderte Dumonceau eiskalt. »Heute Nacht habe ich Saalima kennengelernt.«
Der Direktor schaute ihn fassungslos an. »Hast du … hast du die Nummernkonten geknackt?«
Der Angestellte schob den Sessel zurück und stand seelenruhig auf. »Für die Presse wird es ein gefundenes Fressen sein, wenn man feststellt, dass Prinz Amir Khan Al Ammar all seine Besitztümer in den westlichen Industrieländern losschlägt, um halb Argentinien aufzukaufen. Und vielleicht werden sie mit Vergnügen erfahren, wie undurchsichtig die Transaktionen sind. Ich glaube, dass diese Meldung die Börsen auf der ganzen Welt ordentlich durchrütteln würde. Abgesehen von einem gewissen Interesse, das verschiedene Geheimdienste entwickeln dürften. Was meinst du dazu, Ducasse?«
Der Direktor erstarrte. Er dachte schweigend nach. Sein Blick wanderte zwischen Dumonceaus selbstsicherem Gesichtsausdruck und den Papieren vor sich hin und her. Dann nahm er in aller Ruhe das Histogramm und steckte es in den Papierkorb für den Reißwolf. »Setz dich, Gérard, lass uns wie zivilisierte Menschen miteinander reden.«
Dumonceau blieb stehen. »Ich will eine Tilgung der Schulden und eine Million in bar. Eine angemessene Abfindung. Dann werdet ihr nie wieder von mir hören.«
36
Ort: Turin
Weltzeit: Freitag, 26. Juni, 12.56 Uhr (GMT)
Ortszeit: 14.56 Uhr
APOKALYPSE. JOHANNES. HEILIGER JOHANNES. OFFENBARUNG. PROPHEZEIUNG. 666. KONSTANTIN. NICÄA. MEISTER. ANDREA. ANDREAMOLTENI. MOLTENI. LIAM. LIAMBRINE. BRINE.
Nach jedem Versuch starrten Liam und Alanna auf den Monitor. Der Cursor blinkte einen Moment lang, aber dann erschien jedes Mal die unvermeidliche Meldung: FALSCHES PASSWORT.
»Es muss doch ein System geben, um diese Sperre zu umgehen!«, platzte Alanna irgendwann der Kragen.
»Für einen Hacker wäre das wahrscheinlich ein Kinderspiel«, bemerkte Liam. »Aber ich habe von so etwas keine Ahnung.«
»Wir können uns von irgendjemandem helfen lassen«, schlug sie vor.
»Nein«, sagte er kategorisch.
Alanna schaute ihn verblüfft an.
»Molteni muss sicher gewesen sein, dass ich da allein draufkommen würde«, erklärte er.
»Vielleicht konnte er dir nicht mehr rechtzeitig …«
Bei diesen Worten ging Liam ein Licht auf. Warum war ihm das nicht schon
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