Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition)
»Ich kenne das Projekt ›Leeres Viertel‹: Die Welt mit Eurer Technologie zu überziehen, ›leuchtenden und surrenden‹ Götzen, denen Ihr, siehe da, Atem und Seele eingehaucht habt!«
Amir Khan unternahm einen letzten Abwehrversuch. Er stand auf und sagte in aggressivem Ton: »Hören Sie mir gut zu: Ich weiß nicht, wer Ihnen diesen Unsinn in den Kopf gesetzt hat, aber Sie sind auf dem Holzweg. Ich verfüge über das sechstgrößte Vermögen hier in den Emiraten und gehöre zu den tausend reichsten Männern der Welt. Ich habe überall in bewegliche und unbewegliche Güter investiert, ich besitze Latifundien, Einkaufszentren, Sportstätten und vor allem Unternehmen. Zu diesen, die äußerst zahlreich sind, gehört auch ZeroOne Code, wie jedermann weiß. Das ist für niemanden ein Geheimnis, und es gibt Ihnen keinerlei Recht, mir eine versponnene Weltverschwörung zu unterstellen, allein auf der Grundlage eines Buches, das zweitausend Jahre alt ist. Mäßigen Sie Ihre Unverschämtheit, Kerr.«
Sein Gegenüber zuckte nicht mit der Wimper, sondern beschränkte sich darauf, ebenfalls aufzustehen, die Jacke mitelegantem Gestus zuzuknöpfen und sich leicht zu verbeugen: »Wenn Ihr es so wünscht, Euer Hoheit, so sei es. Danke für das exquisite Frühstück und auf Wiedersehen.« Er schob die blütenweiße Zeltbahn zur Seite und nahm Kurs auf die Panoramascheibe der Villa.
Er hatte fast die Tür erreicht, als der Prinz ihn zurückrief: »Kehren Sie um und setzen Sie sich, Mr. Kerr. Ich gestatte nicht vielen, sich ohne meine Zustimmung zu verabschieden, und bei Ihnen wäre es das zweite Mal in zwei Tagen.«
Kerr gehorchte und nahm wieder eine fügsame und respektvolle Haltung ein. Er setzte sich in den Rattansessel, knöpfte das Jackett wieder auf und wartete auf den nächsten Schachzug des Prinzen. Jetzt war es an diesem, die Karten auf den Tisch zu legen.
»Was wollen Sie von mir?«, fragte Amir Khan entschlossen.
»Dass Ihr uns helft, die Schriftrolle des Orients zu finden.«
»Und warum sollte ich das tun?«
»Das habe ich Euch bereits erklärt. Wenn der Inhalt der Prophezeiung publik würde, könnte das die Verwirklichung Eures Planes gefährden. Wir wollen aber nicht, dass sie gefährdet wird. Wenn der Westen ins Mittelalter zurückfällt, dann werden sich die Menschen erneut mit dem Wichtigsten überhaupt beschäftigen: ihrer Seele. Dann werden unsere Kirchen wieder Zulauf haben wie früher …«
»Und Ihre Macht wird aufs Neue absolut sein«, unterbrach ihn der Prinz.
»Es ist eine spirituelle Frage, Euer Hoheit. Und wir sind sicher, Ihr versteht, dass der uns beseelende Glaube das Spiegelbild des Euren ist.«
Amir Khan schwieg eine Weile und musterte sein Gegenüber. »Wo ist die letzte Abschrift, Mr. Kerr?«, fragte er leise, wobei er sich zu ihm hinüberlehnte.
»Im Westen, das habe ich Euch schon gesagt.«
»Das ist ein bisschen vage, meinen Sie nicht?«
»Näheres weiß ich nicht, und das sagte ich ebenfalls.«
»Wer könnte es dann wissen?«
»Nur der Meister.«
»Der Meister? … Der von der … Bruderschaft?«
»Nein: Wie ich Euch gestern Abend erklärte, wurde die Bruderschaft im Orient gegründet, als Bollwerk gegen den Islam. Der Okzident war immer fest in christlicher Hand, und ohne Feinde gab es keinen Bedarf an einer derart verzweigten Organisation. Allerdings gibt es eine Verbindung zwischen Orient und Okzident: Das ist der Meister. Nach den Vorschriften Konstantins ist er der Einzige, der beide Stätten kennt, an denen die Rollen aufbewahrt werden.«
»Und die beiden Hüter?«
»Keiner der beiden Hüter weiß, wo die jeweils andere Stätte ist.«
»Langsam verstehe ich … Ihr Vernichter habt euch endlich Zugang zur Rolle des Orients verschafft und sie ausgelöscht. Jetzt haben Sie allerdings noch das Problem der westlichen Rolle.«
Kerr verzog keine Miene.
»Also finden Sie diesen Meister und bringen Sie ihn zum Sprechen«, schloss der Prinz.
»Unmöglich, er ist gestorben.«
Amir Khan lächelte vielsagend: »Keines natürlichen Todes, nehme ich an.«
»Selbstmord«, wich Kerr aus.
»Wo?«
»In Rom.«
»Vielleicht hat er mit jemandem gesprochen, ehe er Ihnen, sagen wir, zuvorkommen konnte.«
»Ja, mit einem Freund. Er hat lange mit ihm geredet, sogar noch im Moment seines Ablebens.«
»Kennen Sie seinen Namen?«
Kerr holte eine Visitenkarte aus seiner Brieftasche und reichte sie ihm.
»Mr. Liam Brine, Applied Professor at Pontificia Università San Tommaso
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