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Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor

Titel: Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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niedrige Fliege, mußt du wissen, von der Natur gezwungen, sich auf allen großen Dunghaufen niederzulassen.«
    Melias kupferne Haut wurde blaß, dann verengten sich ihre Augen zu schmalen Schlitzen. »Was willst du von uns, Tochter von Sia?«
    Die Alte spuckte auf den Boden. »Von dir will ich nichts, Lady Gift und Galle.« Sie richtete ihr einziges Auge auf Falken. »Oder von dir, Lord Unglücksbringer.« Sie entblößte die vorstehenden Zähne zu einem hinterhältigen Grinsen. »Nur auf ein Wort mit diesem knackigen jungen Burschen hier.«
    Die Hexe hastete auf ihren dünnen Beinen los, bis sie vor Travis' Pferd stand, dann zeigte sie mit einem klauenähnlichen Finger auf seine Brust. »Ich glaube, du mußt dir noch einen Knochen aussuchen, mein Junge.«
    »Was?« sagte er verwirrt.
    »Einen Knochen, mein Junge!«
    Seine Verwirrung steigerte sich noch.
    Grisla schüttelte traurig den Kopf. »Warum sucht sich das Schicksal immer solche Trottel aus?« Sie hob einen schmierigen Lederbeutel. »Mach schon, mein Junge. Such dir einen aus!«
    Travis betrachtete den schweren Beutel voller Mißtrauen; sein möglicher Inhalt ließ ihn zögern. Jedoch gab es nur einen Weg, diese Situation zu beenden. Er biß die Zähne zusammen und schob die Hand in den Beutel. Er rechnete eigentlich damit, etwas Feuchtes und Schleimiges zu berühren. Statt dessen strichen seine Finger über mehrere harte, glatte Gegenstände. Er nahm einen heraus und betrachtete ihn. Es war ein gelber Fingerknochen, in den drei Linien eingeritzt waren.
    »Hm!« machte Grisla. »Ich hätte nicht gedacht, daß du diesen auswählst. Eine Linie für die Geburt, eine Linie für den Atem und die letzte für den Tod, der zu uns allen kommt.« Sie warf Falken einen Seitenblick zu. »Für einige von uns nur früher als später.«
    Travis schüttelte den Kopf. »Aber was soll das bedeuten?«
    »Was glaubst du denn, daß es bedeutet?« fragte Grisla.
    Travis kaute auf der Unterlippe herum und starrte den Knochen an. Er erinnerte ihn an Trifkin Moosberes Schauspiel über Frühling und Winter und die Geburt des Sommers. »Es könnte sich um das Ende von allem handeln. Oder den Beginn.« Er schüttelte den Kopf. »Aber was davon?«
    »Vielleicht handelt es sich ja um beides, mein Junge. Vielleicht besteht zwischen beidem ja gar kein Unterschied.« Grisla zuckte mit den knochigen Schultern. »Oder die Orakelknochen können doch lügen.«
    Sie riß ihm den Knochen aus der Hand und ließ den Beutel in den Tiefen ihrer Lumpen verschwinden.
    »Bist du endlich fertig mit deinen Spielchen, altes Weib?« fragte Falken.
    »Das bin ich tatsächlich, Lord Ungeduld.« Die Hexe strich mit verkrümmten Fingern über Travis' Hand. »Weißt du, mein Junge, du hast ein kleines Stück von meinem Herzen gestohlen.« Sie gackerte, hastete in eine Rauchwolke und war verschwunden.
    Travis fühlte etwas Warmes und Feuchtes. Er senkte den Blick und sah auf seiner Handfläche ein Stück rohes Fleisch liegen. Mit einem leisen Aufschrei schüttelte er die Hand und schleuderte es in den Schlamm. Er wischte sie am Wams ab. »Ich wünschte, sie würde damit aufhören!«
    Da der Weg nun wieder frei war, lenkten die vier Gefährten ihre Pferde durch das Tor und suchten sich einen Weg über den Dammweg, der von der Festung zur Küste führte. Die Luft war kalt, aber der warme Schein der Herbstsonne vergoldete den See; es sah aus wie goldener Filigranschmuck auf blauer Emaille. Es war ein guter Tag, um zu reisen.
    Nachdem sie eine Zeitlang geritten waren, fragte Melia Falken: »Was, glaubst du, hatte das zu bedeuten?«
    »Du meinst Grisla?« Der Barde zuckte mit den Schultern. »Ich bezweifle, daß das überhaupt von Bedeutung war. Soweit ich weiß, vergnügen sich Hexen hauptsächlich damit, andere Leute zu verblüffen. Aber ich schätze, es lag kein Schaden darin, die Alte ein paar Minuten gewähren zu lassen.«
    Melia kommentierte seine Worte mit einem Nicken, aber ob die majestätische Frau ihnen zustimmte oder nicht, behielt sie für sich.
    Travis fiel eine Frage ein. Er lenkte sein Pferd neben die der anderen. »Wer ist Sia?«
    »Die Frage müßte besser lauten, was ist Sia«, erwiderte Falken stirnrunzelnd. »Aber ich schätze, man könnte sie wohl als eine Art Göttin bezeichnen.«
    Travis dachte darüber nach. »Wie die Götter dieser Mysterienkulte, von denen ihr gesprochen habt?«
    »Nein«, sagte Melia mit einer Schärfe, die Travis überraschte. »Sia hat nichts mit den Göttern der

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