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Die letzte Rune 04 - Die Flammenfestung

Titel: Die letzte Rune 04 - Die Flammenfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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unseren Orden anzuführen, jetzt, wo der Runenstein zerbrochen wurde.« Larad zuckte mit den Schultern, dann warf er Oragien einen Blick zu. »Aber vielleicht ist die Zeit für diese Dinge doch noch nicht gekommen. Noch nicht.«
    Oragiens Augen blitzten auf, aber er umklammerte seinen Stab und sagte kein Wort. Larad machte weiter; er ging wie eine graue Katze vor dem Podium auf und ab, und die Morgendämmerung tauchte sein vernarbtes Gesicht in ein rotes Licht.
    »Obwohl Bruder Eriaun die Wahrheit gesagt hat, gibt es sehr wohl einige Dinge, die wir verstehen. Seit fünf Jahrhunderten hat es in Falengarth keine Runenbrecher mehr gegeben. Der Schwarze Turm wurde vor langer Zeit verboten. Seitdem hat es weder Träger der schwarzen Kutte noch ihre Kunst gegeben.« Larad zeigte auf Travis. »Aber als wieder einer von ihnen diese Welt betrat, was taten wir? Wir luden ihn in unseren Turm ein. Wir nannten ihn Runenmeister. Und vielleicht ist er das auch irgendwie. Trotzdem ändert es nicht das, was er ist: ein Runenbrecher.«
    Wieder ertönte ein Zischen im Gemach, diesmal nur lauter. Travis umklammerte den scharfen Rand der Bank.
    Larads Stimme stieg lautstark in die hohe Kuppel. »Habt ihr alle es denn vergessen? Waren es nicht die Runenbrecher, die die Furcht und den Haß aller Menschen auf alle Runenorden herabbeschworen? Man hat die schwarzen Kutten aus gutem Grund verboten – ein Grund, den wir alle jetzt erlebt haben. Darum sage ich, Schluß mit dem Gerede, der Chor soll singen. Es gibt nur eine Strafe für einen Häretiker und Runenbrecher.«
    Larad ging zurück zu seinem Platz, ohne Oragien auch nur einen Blick zu gönnen. Der Großmeister schien nicht länger wütend zu sein, jetzt sah er nur noch abgehärmt und bleich aus. Er nickte.
    »Bruder Larad hat den Chorgesang verlangt. So soll es sein.«
    Travis verstand nicht, was hier geschah. Jeder Bruder schloß die Augen und saß reglos auf seinem Sitz. Ruhe kehrte ein. Dann begann es. Ein einzelner Ton stieg in die Luft. Andere stimmten in ihn ein, und dann noch mehr, bis er die Wände vibrieren ließ. Die Runensprecher sangen, jeder Mann gab einen tiefen Brummton von sich, der sich mit den anderen verband.
    Zuerst gab es in dem Ton eine Dissonanz, aber die wurde Augenblicke später von einer hellen Harmonie übertönt, die den polierten Stein flimmern ließ. Und noch immer wuchs der Ton an Kraft und Lautstärke. Travis preßte die Hände auf die Ohren. Die Rune der Stille schwächte den Ton keineswegs ab und der Gesang füllte sein Gehirn. Nur noch eine Sekunde, und Travis wußte, er würde ihm den Schädel zerschmettern, so wie er den Runenstein zerschmettert hatte.
    »Aufhören!«
    Der abgerissene Schrei durchschnitt die Luft und entstellte die perfekte, flimmernde Harmonie. Der Gesang endete, aber sein verdorbener Klang wurde noch immer von den Wänden reflektiert und schwoll kaskadenförmig zu einem betäubenden Grollen an, bis zerborstene Laute wie die Splitter eines zerbrochenen Glases durch das Gemach schwirrten. Alle hielten sich die Ohren zu, um zu verhindern, daß ihr Verstand in Scheiben geschnitten wurde.
    Das Getöse verblaßte zu einem Zischen. Mit reiner Willenskraft nahm Travis die Hände von den Ohren. Erst als er sah, daß aller Blicke auf ihn gerichtet waren, begriff er, daß er den Schrei ausgestoßen hatte, daß er die Rune der Stille, die ihm auferlegt worden war, gebrochen hatte.
    »Ich tat es, um euch zu helfen«, sagte er. Seine Stimme war ein heiseres Flüstern, das alle hören konnten und das mit den Fragmenten des Gesangs verschmolz. »Bruder Oragien, das müßt Ihr verstehen. Ich tat es, damit Ihr selbst lernen könnt. Ohne mich, ohne sonst jemanden.«
    Seine Worte verklangen. Dann sprach Oragien mit leiser Stimme.
    »Der Gesang war in völliger Harmonie, Bruder Wilder. Alle Stimmen waren im Einklang. Der Chor hat eine Entscheidung getroffen.«
    Travis erwiderte Oragiens Blick. In den Augen des Großmeisters schimmerte nun etwas anderes: Bedauern. Travis wollte etwas erwidern, aber eine Geste brachte ihn sicherer zum Schweigen, als es eine Rune je geschafft hätte.
    »Morgen bei Sonnenuntergang, wenn der Vollmond am Himmel steht, wird Bruder Wilder an den Nullstein draußen vor dem Turm gebunden werden, wo keine Rune gesprochen werden kann.«
    Oragien zögerte, aber Travis kannte die Worte bereits, die nun folgen würden.
    »Und dort wird er sterben.«

11
    Sie ritten den ganzen Tag mit gleichmäßigem Tempo – Grace und Tira, Aryn

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