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Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt

Titel: Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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verbergen. Außerdem wollte sie – nein, musste sie sehen, ob sie Recht hatte. Mit zitternden Fingern zog sie ein Stück Papier aus der Tasche und entfaltete es. Es war die Zeichnung, die Deirdre ihr gegeben hatte, bevor sie durch das Tor getreten waren.
    Die Zeichnung eines Schwertes.
    Es bestand nicht der geringste Zweifel – selbst sie konnte sehen, dass die Runen identisch waren –, und Falkens Verwünschung nach zu urteilen, sah er es auch.
    Der Barde sah Grace verblüfft an. »Ich verstehe nicht, Grace. Wie könnt Ihr eine Zeichnung von Fellring besitzen?«
    »Nicht nur … eine Zeichnung, Falken.« Nun am ganzen Leib zitternd, griff sie in das locker fallende Mournisch-Hemd und holte ihre Halskette hervor.
    Für gewöhnlich hielt sie sie verborgen, ein geheimes Relikt der Kindheit, die sie nie gehabt hatte. In ihrer ganzen gemeinsam verbrachten Zeit hatten Melia und Falken die Kette vermutlich nie zu Gesicht bekommen.
    Falken stolperte förmlich zurück, eine Hand auf die Brust gelegt. »Das kann nicht sein. Bei den Sieben, das ist unmöglich.«
    Beltan stöhnte. »Genug Geheimniskrämerei, Falken. Würdest du bitte dem Rest von uns freundlicherweise erklären, was angeblich nicht sein kann? Ich glaube, wir wären auch gern schockiert.«
    »Das ist ein Splitter des Schwertes, nicht wahr?«, sagte Vani interessiert. »Von der Klinge, die die Statue hält.«
    »Der Splitter von Fellring«, murmelte Falken. »Aber wie ist das nur möglich?«
    Grace kämpfte selbst darum, das zu begreifen. Die Luft um sie herum schien zu pulsieren; ihr Verstand raste.
    »Ich hatte ihn schon immer«, sagte sie und umklammerte den Anhänger. »Ich trug die Kette, als die Leute vom Waisenhaus mich fanden. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, aber ich kann damals nicht älter als drei Jahn gewesen sein.«
    »Aber das ist unmöglich. Ich weiß es. Die einzige Person, die die Kette seit ihrer Kindheit besitzt, würde …«
    »Ulthers letzter Nachfahre und Erbe sein«, vollendete Melia den Satz.
    Falken und die anderen starrten Grace an, als wären ihr plötzlich Flügel gewachsen. Sie suchte nach Worten, fand aber keine, also versuchte sie deshalb, das alles zu verstehen. Melia zufolge war der Mann, den die Statue darstellte – König Ulther von Toringarth –, ihr zigfacher Urgroßvater. Was wiederum bedeutete, dass sie unmöglich auf der Erde geboren sein konnte. Sie kam von …
    Travis’ Stimme klang staunend. »Du kommst von Eldh, Grace.«
    Nein, das konnte nicht stimmen.
    Aber das tat es, und sie wusste es. Drei Jahre alt, allein in den Bergen, und alles, was sie hatte, war ein Stück seines Schwertes. Das und das Fragment eines Liedes, das sie als Kleinkind gehört hatte. Das Lied einer anderen Welt. Ihrer Welt.
    Der Abschiedsworte süßer Klang …
    »Mit Fellring, dem Schwert aus Elfenschmieden …«, murmelte Grace laut.
    Melia ergriff Graces Hände und strahlte vor Freude.
    »Willkommen daheim, Ralena.«

27
    Grace hörte wie betäubt zu, als Falken und Melia ihr eine Geschichte erzählten – ihre Geschichte. Als sie beschrieben, wie sie im Geheimen über die Erben des untergegangenen Königreichs von Malachor gewacht hatten. Irgendwann musste Lirith den Raum betreten haben, auch wenn Grace es nicht mitbekommen hatte. Plötzlich wurde sie sich bewusst, dass Lirith da war und sie mit leuchtenden Augen betrachtete.
    »Ich verstehe nicht, Falken«, sagte Beltan, als der Barde kurz in seiner Erzählung innehielt. »Alle alten Geschichten, die ich kenne, besagen, dass die königliche Blutlinie von Malachor völlig ausgelöscht wurde, als Malachor fiel, dass keine Erben überlebt haben.«
    »Du hast Recht, Beltan«, erwiderte Falken und betrachtete seine Hand, die wie immer in dem schwarzen Handschuh steckte. »Das besagen die Geschichten. Genau das habe ich beabsichtigt, als ich sie vor siebenhundert Jahren verfasst habe.«
    Seine Worte schienen wichtig zu sein, aber Graces Verstand war zu gelähmt, um zu begreifen, was der Barde da eigentlich sagte.
    »Ich glaube, ich verstehe«, sagte Travis. »Ein Mitglied der königlichen Familie von Malachor überlebte, aber du und Melia wollten nicht, dass jemand davon erfährt.«
    Falkens wölfisches Gesicht machte einen abgehärmten Eindruck, als würden die Jahrhunderte plötzlich schwer auf ihm lasten. »Es war das einzige Kind des Königs und der Königin, ihr Sohn, der noch ein Säugling war. Ich habe ihn mit einem Messer dort aus ihrem Leib geschnitten, wo sie tot

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