Die letzte Rune 07 - Die schwarzen Ritter
Eintreten tief. Grace entging nicht, dass er Vanis neues Aussehen registrierte, aber sein Blick kehrte fast sofort zu Grace zurück. Sie schaute weg und tat so, als wäre das Zählen der im Saal befindlichen Pfeiler eine Aufgabe von äußerster Dringlichkeit.
Der Kämmerer zeigte ihnen ihre Plätze an dem aufgebockten Tisch, den man in ihrer Abwesenheit in der Saalmitte aufgestellt hatte. Elwarrd saß am Kopf der Tafel, Grace zu seiner Rechten in der Ecke. Vani und der Kämmerer saßen zu Graces Rechten, und Falken und Beltan saßen ihnen gegenüber. Aber damit blieb ein Platz am Tisch leer, zur Linken des Grafen und Grace gegenüber. Der Platz war mit einem Pokal, einem Messer und einem Schneidebrett gedeckt, alles sorgfältig arrangiert. Wer würde dort sitzen?
Bevor Grace länger darüber nachdenken konnte, betraten Diener mit dampfenden Platten und Schüsseln den Saal, und bald vergaß sie alle anderen Sorgen, weil sie damit beschäftigt war, Essen in sich hineinzustopfen. Grace war hungriger als je zuvor im Leben. Dafür war natürlich die Anstrengung verantwortlich: der Überlebenskampf im Wasser, auf allen vieren über den Strand zu kriechen, die Klippe hinaufzuklettern. Es schien schrecklich zu sein, hier zu essen, wo Kapitän Magard und seine Mannschaft aller Wahrscheinlichkeit nach ertrunken waren. Aber sie war noch am Leben, und ihr Körper verlangte nach Nahrung. Und obwohl sie die mittelalterliche Küche noch immer nicht so richtig zu schätzen wusste, hatte sie sich daran gewöhnt, und so fand eine Auswahl verschiedener Fleischsorten, Pudding und unidentifizierbare Dinge, die in Sahne schwammen, schnell den Weg in ihren Magen.
Auf Calavere hatte Grace den Brauch kennen gelernt, dass sich der Herr und die Dame am Tisch einen Pokal teilten. Als der Graf seinen Durst bekundete, war es Graces Pflicht, den Wein einzuschenken, den Rand des Pokals mit einer Serviette abzuwischen und ihn ihm zu reichen. Sie versuchte zu ignorieren, wie dabei seine warme Hand die ihre berührte. Als er ihr den Pokal zurückgab, trank sie ein paar Schlucke und wurde sich erst dann bewusst, dass sie vorher den Rand hätte abwischen müssen. Er schien dieses Versäumnis zu bemerken, aber er hob nur eine Braue, und sein Ausdruck verkündete, dass ihn das alles andere als störte.
Vani teilte sich den Pokal mit dem Kämmerer, aber Beltan und Falken hatten ihre eigenen Pokale, da es keine Dame gab, die sie bedienen konnte. Die Gruppe aß größtenteils schweigend, die einzigen Kommentare galten der Qualität des Essens. Als die Mahlzeit beendet war, forderte der Graf zur Konversation auf, allerdings hielt man sich nur an höfliche Themen – hauptsächlich verglich man das Wetter in Embarr mit dem im Süden –, und dafür war Grace dankbar. Der Graf schien froh über ihre Gesellschaft zu sein, er lachte oft, und Grace gefiel sein Lachen.
»Verzeiht mir, falls ich Euch beleidige, Mylord«, sagte Falken. »Aber ich bin überrascht, dass so wenige an dieser Tafel sitzen. Müsste eine Burg von dieser Bedeutung keinen größeren Haushalt haben?« Der Blick des Barden verweilte einen Augenblick lang auf dem leeren Platz.
»Das sollte sie in der Tat«, sagte Elwarrd, und seine Miene wurde ernst. »Heutzutage ist mein Hof so gut wie weggezogen.«
»Wohin denn, Mylord?«, fragte Grace, ohne nachzudenken.
»Nach Barrsunder, Mylady, auf Befehl von König Sorrin.«
»Und wie geht es dem König denn so?«, fragte Falken. Seine Worte waren sorgfältig gewählt und betont, und Grace erkannte seine Absicht.
Elwarrd auch. »Wie ich sehe, habt Ihr von König Sorrins Zustand gehört.«
»Ein wenig«, sagte Falken. »Es ist fast ein Jahr her, dass ich ihn das letzte Mal gesehen habe.«
Der Graf seufzte. »Dann ist sein Zustand viel ernster, als Ihr ihn kennt. Man erzählt sich, er würde alles tun, um den Tod fern zu halten.«
»Warum?«, fragte Vani. »Ist Euer König denn krank?«
Elwarrd erwiderte ihren Blick. »Nicht körperlich, Mylady.«
Grace erinnerte sich an die Begegnung mit dem König von Embarr auf dem Rat von Calavere. Sorrin hatte einen abgezehrten und zusammengekrümmten Eindruck gemacht, er war frühzeitig gealtert. Sein Blick war für gewöhnlich so scharf wie ein Messer gewesen, aber manchmal hatte sich ein verlorener und gehetzter Ausdruck hineingeschlichen. Durge hatte ihr erzählt, dass sich Sorrin zusehends vor seinem Tod fürchtete, so als würde er bereits auf ihn lauern.
»Heutzutage sind Sorrins Handlungen
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