Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
andere Stück frisches Fleisch. Rosa glaubte nicht, dass sie in der Lage sein würde, die Bestie zu töten, aber vielleicht konnte sie sie verscheuchen.
Die Raubkatze wich zwar ihren wilden Hieben aus, sprang sie aber nicht an wie eben den Plünderer. Stattdessen umkreiste der Leopard sie langsam. Wahrscheinlich spielte er mit seiner Beute. Rosa krampfte sich der Magen zusammen. Wenn es ihr gelang, ihn zu töten, würde er sich vielleicht in eines dieser Kinder zurückverwandeln. Bei dem Gedanken wurden ihre Schläge halbherzig. Dios , es hatte schon genug Tote gegeben.
Zu ihrem Erstaunen blieb der Leopard stehen und wälzte sich am Boden. Er blieb nicht auf dem Rücken liegen, aber die Rollbewegung war unbestreitbar entspannt gewesen. Rosa konnte keine Feindseligkeit wahrnehmen. Ein zufriedenes Schnurren drang aus der Kehle des Leoparden. Das brachte sie völlig durcheinander. Ihr Griff um das Holz lockerte sich, sodass der Knüppel ein bisschen herabhing. Sie zögerte. Bevor Rosa beschließen konnte, ob sie den Leoparden nun töten sollte oder nicht, begann seine Haut Wellen zu schlagen.
Sie wich zurück, entsetzt über das, was sie sah. Es war, als wäre sie wieder mit José in dem ausgetrockneten Flussbett. Dort hatte sie gesehen, wie Menschen zu Monstern wurden, und nun würde sie die Rückverwandlung miterleben. Aber sie wusste, dass diese Person immer noch die Bestie in sich tragen würde, selbst wenn sie menschliche Gestalt annahm.
Die Wirklichkeit war noch viel schlimmer. Als die Krämpfe zum Erliegen kamen, lag Chris nackt auf dem blutverschmierten Boden. Seine grünbraunen Augen wirkten benommen.
Dios, no.
Für endlose Augenblicke vergaß sie Peltz’ Piraten, die geraubten Frauen, die toten Bravos und das Schicksal des brennenden Valle. Das war ein schwerer Schlag, der schlimmste, den sie je erlebt hatte. Rosa taumelte rückwärts an die gegenüberliegende Wand. Ihr fehlten die Worte, und sie konnte nicht weinen. Sie konnte das ganze Ausmaß dieses Verrats gar nicht erfassen.
Kein Wunder, dass er über all ihre Tests gelacht und sie als primitiv bezeichnet hatte. Die ganze Zeit über, Cristián, hast du mich verleitet, an dich zu glauben, obwohl du wusstest, dass du mein Feind warst.
Chris stemmte sich auf seinen starken Unterarmen hoch, als hätte er diese Verwandlung nicht schon Hunderte von Malen durchgemacht, als wären seine Worte nicht nur Lug und Trug gewesen. Rosa wich noch weiter zurück. Entsetzen durchfuhr sie, als sie sich eine Hand auf den Bauch legte.
Er könnte mich mit seinem Dämonenkind geschwängert haben.
Das verscheuchte jeden vernünftigen Gedanken aus ihrem Kopf. Babys waren selten und kostbar, aber dieses hier? Ein Monster ding ? Dios , hab Gnade!
»Geht es dir gut?«, stieß er schließlich heiser hervor.
Lächerliche Frage. Nein, er hatte ihr das Herz gebrochen. Sie hatte ihre Gefühle so gut bewacht, bis er mit seinen Versprechungen und Lügen hier aufgetaucht war. Angesichts seiner Natur musste er gewusst haben, dass sie keine gemeinsame Zukunft hatten. Diese Grausamkeit traf sie mehr als alles, was Peltz je getan hatte.
Rosa konnte es kaum ertragen, ihn anzusehen: Blut hatte sich unter seinen Fingernägeln festgesetzt und umrahmte seinen Mund. Sie schaute auf und über seinen Kopf hinweg, als er auf die Füße kam. Nackt. Blutverschmiert. Sie hatte ein solch bestialisches Geschöpf noch nie aus der Nähe gesehen. Ihr Herz trommelte in ihrer Brust wie die Hufe eines wilden Hengsts, gleichermaßen vor Angst und vor Ekel.
»Nein«, flüsterte sie, »nicht im Geringsten. Wie konntest du nur?«
»Es … ist einfach passiert. Ich habe gesehen, wie er dich bedroht hat, und …«
»Lügner. Du erwartest, dass ich dir glaube, dass es das erste Mal ist?« Sie lachte schrill und zynisch. »Ich schätze, jetzt weiß ich, warum du die Gestaltwandler so leidenschaftlich verteidigt hast. Du gehörst ja selbst zu ihnen.«
Du gehörst jedenfalls nicht zu mir, obwohl ich doch gedacht habe, dass vielleicht endlich …
Sie brach den Gedanken ab. Die heimlichen Pläne, die sie im Kopf geschmiedet hatte, mussten ein Ende haben. Jetzt war es an der Zeit, sich zurückzuziehen und die Mauern wieder zu errichten, die sie stark gemacht hatten. Niemand würde ein zweites Mal dahinter vordringen.
Chris tat immer noch, als wäre er der Mann, den sie kannte. Sein Gesichtsausdruck war völlig verwirrt. »Nein. Selbst, als ich … verwandelt war« – er stolperte über das Wort, als wäre
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