Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
ausstreckte, um über das üppige Fell zu streichen. Rosa zeichnete eine Linie mitten über seinen Kopf seinen Rücken entlang bis zu seinem zuckenden Schwanz. Er war stark, wild, furchterregend und … schön. Unerwartet schön. Das würde sie ihm später auch sagen.
Er lehnte sich mit ganzem Gewicht gegen ihren Ober schenkel und sah aus seelenvollen haselnussbraunen Augen, die irgendwie immer noch dieselben waren, zu ihr hoch. Sie sah seine Geduld und Gutmütigkeit und alles, was ihn zu Chris machte. Er legte den Kopf schief und zuckte mit den Ohren, weil er mit seinen Katzensinnen irgendetwas gehört hatte, aber sein Gesichtsausdruck änderte sich nicht. Wie seltsam, dass ein Tier so innig blicken konnte – und dabei noch nicht einmal hungrig.
Es stimmt. Er ist da drinnen.
Ex nahm keinen Kontakt zu ihr auf, sondern legte die gleiche stille Zurückhaltung an den Tag wie als Mensch, sodass Rosa Abstand hielt. In Vielfraßgestalt war er kompakt und wog wahrscheinlich um die dreißig Kilo, hatte aber ein furchteinflößendes Gebiss. Sie hätte sich nicht gern mit auch nur einem der beiden angelegt. Als Team würden sie ihr stummes Rollkommando bilden.
Sie hockte sich hin und gab das Signal. Gleichzeitig bewegten sie sich auf den Wachtposten zu. Sie ließ den beiden einen großen Vorsprung, bevor sie ihnen auf leisen Sohlen folgte. Selbst aus diesem Abstand konnte sie sehen, wie geschickt sie den Wächter niederstreckten. Aber – gracias a Dios – sie zerfleischten den Leichnam nicht und fraßen ihn auch nicht auf. Sobald der Mann tot war, zogen sie sich zurück und kamen abermals an ihre Seite.
Sie schlichen durch die Dunkelheit zum Lager und machten hinter einem Felsvorsprung halt. Vor ihnen lagerten Peltz’ Staubpiraten. Kein Wunder, dass sie so schnell packen und weiterziehen konnten. Sie besa ßen nichts, was Bestand hatte: Keine Häuser, kein Vieh, keine Felder, auf denen sie dem kargen Felsboden Leben entlockten. Banditen pflanzten nichts an und bauten auch nichts auf. Wie Heuschrecken fraßen sie nur alles kahl und zogen dann weiter. In der sternklaren Nacht starrte Rosa auf die behelfsmäßige Siedlung aus Zelten und verrosteten Fahrzeugen hinab und richtete die Staubpiraten im Geiste allesamt hin.
Selbst aus dieser Entfernung sah das Lager schlimmer aus, als sie erwartet hatte. Von dem Geruch – einer stinkenden Mischung aus Blut, Kot, Urin und verfaultem Fleisch – wurde ihr übel. Es war falsch, wenn Menschen so lebten. Wenn Peltz bekam, was er wollte, dann würde er diesen Schmutz nach Valle tragen und alles verunreinigen, was Rosa in jahrelanger Arbeit aufgebaut hatte.
Die Staubpiraten hatten die Sau rausgelassen. Diejenigen, die auch nur noch halb wach waren, sangen und feierten betrunken. Sie grölten ausgerechnet »Ole Ole« wie Fußballhooligans, die einen Sieg feierten. Der wenig abwechslungsreiche Sprechgesang ertönte aus dem größten Zelt. Die Luft war alkoholgeschwängert. Die Dreckskerle hatten nur einen weiteren Mann als Wache aufgestellt, und sein Gesichtsausdruck verriet eindeutig, dass er betrunken und von irgendetwas, das in der Nähe vorging, abgelenkt war.
Rosa konzentrierte sich und kämpfte gegen die lastende Dunkelheit an. Sie erstarrte vor Entsetzen. Die entführten Frauen hatte man wie Tiere an einen Pfahl mitten im Lager gekettet. Einige waren offensichtlich verletzt und wiesen die Spuren von Männerfäusten auf. Aber sie sah Singer nicht.
Oh no.
Es würde Brick umbringen, wenn sie Singer nicht unbeschadet mit zurückbrachten. Rio, der doch gerade erst Manuel verloren hatte, würde es nicht viel besser ergehen. Mit einem stummen Kopfschütteln sah sie Chris und Ex an. Sogar in Tiergestalt schienen sie ihren fragenden Blick zu verstehen. Sie duckten sich zum Sprung, um ihre Bereitschaft unverkennbar unter Beweis zu stellen.
Wie erstaunlich.
Sie ließ ihren Eulenruf ertönen und gab so den anderen Bravos das Signal. Der Ruf hallte über der Schlucht wider. Der betrunkene Wächter zuckte zusammen und sah sich in der Dunkelheit um. Er umklammerte seine Waffe fester und murmelte: »Scheißeulen.«
Rosa drehte sich der Magen um. Sie wartete schweigend mit Chris und Ex und warf dann und wann einen Blick über die Schulter. Die Zeit, die verging, war wahrscheinlich nicht so lang, wie sie sich anfühlte, wenn man dort im Dunkeln kauerte, aber das Warten ging ihr unter die Haut.
Als Falco mit den anderen eintraf, lenkte eine Bewegung im Lager ihre Aufmerksamkeit auf einen
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