Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
Befriedigung daraus, sie für Valle töten zu sehen. Aber der Angriff weckte mehr schlafende Wachen. Das unverkennbare Geräusch von Waffen, die durchgeladen wurden, hallte in der Schlucht wider. Rosa kämpfte sich schnell den Weg zu den Geiseln, Singer und ihrem Retter frei.
Da mittlerweile schon taumelnde Männer aus dem Zelt hervorgeströmt kamen, hatten Heimlichkeit und Stille keinen Sinn mehr. Rosa erhaschte einen Blick auf Peltz, der seinen Leuten Befehle zubrüllte. Der Anführer war nicht so groß, wie sie erwartet hatte. Er hatte ein verschlagenes Gesicht mit übergroßen Schneidezähnen und wirkte eigentlich eher wie ein Wiesel als wie ein gefährlicher Soziopath, aber die Maschinenpistole, die er in der Hand hielt, verriet mehr als sein Körperbau. Er ließ den Blick über die Umgebung schweifen, konzentrierte sich auf die fliehenden Gefangenen und schaltete seine Waffe dann in den vollautomatischen Modus.
Rosa machte einen Hechtsprung und brachte sich gerade noch hinter einem Laster in Sicherheit. Die befreiten Geiseln folgten ihr. Ein Mädchen schrie auf, aber es war nicht festzustellen, wer getroffen worden war.
Jeder Trottel wirkte eindrucksvoll, wenn er auf diese Art Munition vergeudete, aber viel treffen würde er nicht. Einen Zweck erreichte er aber immerhin – er nagelte sie hier fest. Rosa duckte sich hinter einen Reifen.
Als die Waffe kurz schwieg, beugte sie sich vor und erwiderte das Feuer, aber sie hatte nur einen Patronenstreifen. Die Schlacht tobte außerhalb ihres Gesichtsfelds im Wüstensand. Männer schrien und stöhnten. Ein Leopard brüllte.
Friss sie bei lebendigem Leibe, Cristián.
Die Frauen kauerten sich um sie, als weitere Kugeln vom Metall abprallten. Aber Peltz’ Ein-Mann-Angriff endete früher, als sie erwartet hatte. Sie hoffte zwar, dass ihm die Munition ausgegangen war, traute aber dem Frieden nicht. Sie musste nur noch ein bisschen durchhalten und die Frauen retten. Ihre Bravos würden den Rest erledigen.
»Ich will, dass du die Mädels von hier wegbringst«, sagte sie zu Singer. »Ich gebe euch Feuerdeckung. Du bringst sie aus dem Lager und im Bogen nach Valle zurück.«
»Wir gehen nirgendwohin«, sagte Allison wild entschlossen.
Ex hätte über die Tapferkeit der blonden Kalifornierin gestaunt, die jetzt eine geöffnete Handschelle samt Kette wie einen altertümlichen Streitflegel umklammert hielt. Sie strahlte Zielstrebigkeit und stahlharte Entschlossenheit aus. Im schwachen Licht der gespenstischen Nacht, durch die ein kalter Wind fegte, wirkten die Frauen wie rächende Furien. Sie waren außer Reichweite der Waffen geblieben, hatten sich aber alle mit dem bewaffnet, was sie hatten finden können: mit Steinen, zerbrochenen Holzscheiten, Metallstangen.
Statt davonzulaufen, hatten sie vor zurückzuschlagen. Rosa war noch nie so stolz gewesen – oder so entsetzt. Obwohl die Frauen einen Kampf Mann gegen Mann nicht gewinnen konnten, waren sie voll wildem Tatendrang genau darauf aus. Das war das Herz von Valle. Selbst wenn sie heute Nacht starben, würde alles gut werden.
Peltz eröffnete erneut das Feuer, und ein Kugelhagel ging ringsum nieder.
40
Angst hatte einen Geruch. Wut auch. Der Leopard konnte beides riechen, obwohl er das Maul voller Blut hatte. Worte begannen in sein Tiergehirn einzusickern. Er konzentrierte sich. Sie drangen langsam zu ihm durch, eines nach dem anderen.
Anschleichen.
Kämpfen.
Kugeln.
Muskeln spannten sich in seinem schlanken Körper an. Er sprang und landete auf einem dünnen Mann, der nach bösen Dingen stank. Sein Gesicht zog sich in Todesqual zusammen, als Krallen ihm die Eingeweide herausrissen. Bei solch einer Beute war kein Fleisch zu holen – nur Krankheit.
Der Leopard schüttelte den Kopf. Seine Ohren waren so empfindlich, dass die lauten Schüsse ihm darin weh taten. Rosa war hinter dem Laster dort. Er hatte seine Frau allein gelassen. Aber das war der Plan. Sie war stark. Es ging ihr gut.
Er duckte sich und pirschte über den Boden. Seine Muskeln zogen sich stark und einsatzbereit zusammen.
Ein Mann schrie mit vor Schmerz heiserer Stimme auf.
Bravo.
Je näher der Leopard herankam, desto deutlicher nahm der Kampf in seinem flinken, reaktionsschnellen Verstand Gestalt an. Dort, in Sprungweite, streckte gerade ein Bandit einen Bravo nieder.
Feind.
Der Leopard kauerte sich nieder. Seine Kraft machte ihn selbstbewusst. Er berechnete den Angriffswinkel, bevor er sprang. Dank seines Instinkts war das einfach. Der
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