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Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Connor
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das Gefühl, einem höheren Zweck zu dienen, und Ordnung inmitten des Chaos. Die wenigen Patienten, die er schon behandelt hatte, bekundeten nichts als Respekt und Dankbarkeit für la jefa und ihre eiserne Hand.
    »Wie lange lebst du schon hier?«, fragte er. Es war wohl wissenschaftliche Neugier. Er konnte einfach nicht anders, als darüber nachzudenken, wie sie und ihre Leute solchen Erfolg hatten haben können.
    »Seit fünf Jahren. Ich bin hergekommen, gleich nachdem der Wandel über diesen Landstrich hereingebrochen war.« Sie warf ihm einen fragenden Blick zu. »Du bist beeindruckt.«
    »Ja.«
    »Gibt es …« Rosa runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Ach, vergiss es.«
    Sie schien sich innerlich zurückzuziehen, blieb äußerlich aber völlig reglos. Chris streckte die Hand aus. Die Versuchung, sie zu berühren, war einfach zu groß, trotz der deutlichen Grenzen, die sie ihm aufgezeigt hatte. Unter dem Baumwollärmel eines ausgeblichenen T-Shirts spannte sich ihr Bizeps unter seinen Fingern an, und sie warf einen mörderischen Blick auf die Stelle, an der er sie berührte. Das hätte Chris vorhersagen können. Rosa zu berühren war, als würde man eine Klapperschlange anfassen. Was ihn dann aber doch überraschte, war das Aufblitzen von Furcht in ihrem Gesicht. Sie sah sich beinahe reflexartig im leeren Laden um, als wollte sie feststellen, ob jemand sie beobachtet hatte.
    Chris ließ sie los. Während die alte Welt langsam und unweigerlich in den Staub gesunken war, hatte er fast zwei Jahrzehnte damit verbracht, Raubkatzen zu erforschen. Wenn es nicht genug Weibchen gab, kam es immer zu Konflikten und Kämpfen. Und Todesfällen. Gewiss, einige überlebten immer, aber das wollte für die Menschen nicht viel heißen, da es ohnehin nur noch so wenige gab. Rosa musste als Anführerin und Frau schnell begriffen haben, wie prekär ihre Lage war.
    Aber sie zu berühren, überhaupt irgendjemanden zu berühren … Manche Dinge waren sogar noch urtümlicher als das Bedürfnis nach gutem Essen und einem sicheren Schlafplatz.
    Er ballte die Hände hinter dem Rücken zu Fäusten. »Was wolltest du mich fragen?«
    Er konnte es hinter ihren mahagonifarbenen Augen arbeiten sehen, als sie auszuloten versuchte, ob er es ehrlich meinte. Aber sie nahm ihre Pflichten als Anführerin ernst. Informationen waren so wertvoll wie Versorgungsgüter. Doch sie würde enttäuscht sein; er hatte menschliche Gesellschaft oft gemieden, sogar vor den schlimmsten Zeiten des Wandels. Andere Vagabunden wussten bestimmt mehr als er.
    »Gibt es einen anderen Ort wie unseren da draußen?«, fragte sie.
    Schon wieder diese Hoffnung. Wie zur Hölle hielt sie das launische Flittchen tagtäglich in Schach?
    »Nein. Nichts auch nur annähernd Vergleichbares.«
    Sie bleckte wieder die Zähne zu einem furchteinflößenden Lächeln. »Kein Wunder, dass du so große Augen machst wie ein Kind, das vor einem Wolkenkratzer steht.«
    »Ich schaue eben genau hin, wenn mir gefällt, was ich sehe.«
    »Spar dir das.« Sie schlug mit der Faust auf die Theke. » Oye , Wicker. ¿ Donde estás, mano? «
    Der alte Ladenbesitzer kam endlich aus dem Hinterzimmer hervorgeschlurft, mit schlaffem Gesicht, als wäre er gerade aus einem Nickerchen gerissen worden. »Also bekommen wir endlich zu sehen, was du zu bieten hast, Doc?«
    Chris wischte sich den Schweiß aus dem Nacken und war überrascht, sich bei einem Grinsen zu ertappen. Aber er musste sich Rosa aus dem Kopf schlagen und sich stattdessen auf die Verhandlungen konzentrieren, die über seine unmittelbare Zukunft entscheiden würden. »Vor allem Medizin. Antibiotika. Ein paar Asthmasprays zum Inhalieren. Schmerzmittel. Elektrolytpulver. Zur Hölle, sogar Läuseshampoo und Fußcreme für Sportler.«
    Wicker und Rosa sahen gleichermaßen verblüfft drein. »Was hast du getan?«, fragte sie dann. »Einen Drugstore ausgeraubt?«
    »Fast. Ich habe einen Kerl getroffen, der genau das getan hatte. Er war eine wandelnde Apotheke.«
    »Hast du ihn getötet?«, fragte Wicker.
    »Das musste ich nicht. Er konnte kaum noch atmen, als ich ihn unter einem Baum gefunden habe. Im Tausch gegen seine Schätze habe ich ihm erlaubt, meine Beretta zu benutzen.«
    Wicker zuckte mit den Schultern, als hätte er schon Schlimmeres erlebt oder getan. Das hätte Chris nicht gewundert, denn ihm ging es genauso. Aber Rosa hatte wieder diesen seltsamen Gesichtsausdruck, den, der zu besagen hatte, dass man ihn fürchten musste.
    Mason

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