Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
hoffen, dass der Zorn und die Trauer um Manuel sie dazu bringen würden zu gehorchen. Ein paar Herzschläge vergingen, bevor Rio nickte und aufbrach. Lem folgte ihm mit unschlüssiger Miene, aber zielstrebigen Schritten.
Rosa saß starr vor Anspannung da, während Viv Falco verarztete, und atmete erst auf, als Rio rief: »Es ist der Doc. Er hat einen Transporter gekapert …« Sein Tonfall wurde ehrfürchtig. »Einen Transporter voller Mädchen .«
Madre de Dios.
»Aber natürlich«, murmelte sie. »Warum sollte er auch brav stillhalten, wenn er uns in Schwierigkeiten bringen kann? Cabrón .«
»Was sollen wir mit all denen machen?« Rio trat in die Tür der taberna und sah Rosa fragend an. »Sie sehen ausgehungert und zu Tode verängstigt aus.«
»Wahrscheinlich sollten sie als Sklavinnen und Huren dienen«, sagte sie leise.
Kein Wunder, dass sie Angst haben. Aber das würde sie niemals laut aussprechen, denn das hätte zu viel über ihre eigene Vergangenheit verraten, und sie war entschlossen, die für sich zu behalten. Sie musste etwas tun, statt sich in Grübeleien über frühere Fehler zu verlieren.
»Viv, Singer, bringt die Frauen ins Rathaus. Beruhigt sie. Bringt ihnen etwas zu essen und zu trinken. Männern vertrauen sie sicher nicht sofort. Und holt Ingrid, wenn irgendwelche Bravos euch belästigen.«
Viv runzelte die Stirn. »Du blutest immer noch.«
»Ich weiß. Der Doc kann sich um mich kümmern, da er doch jetzt zurück ist. Die Frauen brauchen euch mehr.«
Und sie hatte noch ein Hühnchen mit Cristián zu rupfen, diesem miesen Dreckskerl, der unfähig war, Befehle zu befolgen. Allerdings freute sich ein kleiner – aber auch nur ein ganz kleiner! – Teil von ihr, dass er derjenige sein würde, der die Wunde verarztete. Und ein sogar noch winzigeres Bruchstück gestand sich Erleichterung darüber ein, dass er sich nicht mit Singers Motorrad davongemacht hatte.
Obwohl es das Beste gewesen wäre.
Ein paar Minuten später hatte sich die taberna geleert, da weder Ex noch Falco der Versuchung widerstehen konnten, die neuen Frauen anzugaffen. Rosa vertraute auf Vivs Fähigkeit, die Glucke zu spielen, wenn es nötig sein sollte, und Singer konnte erstaunlich entschieden auftreten, besonders wenn sie sich Ingrid zum Vorbild nahm.
Rosa setzte sich auf dem Stuhl zurecht, um zu verbergen, dass sie nahe am Umfallen war, und wartete auf Chris. Er erschien ohne jeden Hauch der Zerknirschung, die ein Bravo hätte an den Tag legen sollen, besonders einer, der ihrem Befehl nicht gehorcht hatte.
Aber er trägt mein Zeichen nicht. Ich kann nicht dieselben Maßstäbe anlegen. Zumindest noch nicht.
Manuels Tod würde Konsequenzen haben, auch wenn die Ankunft der Frauen einen gewissen Aufschub bedeuten mochte, der ihr vielleicht die Zeit verschaffen würde, eine Strategie auszuarbeiten, um ihre Führungsrolle zu festigen und die Leute davon zu überzeugen, dass ein einziger Fehler sie noch nicht inkompetent machte. Es blieb abzuwarten, wie Falco sich verhalten würde, da nun der perfekte Augenblick gekommen war, eine Meuterei anzuzetteln.
»Du wolltest mich sprechen?«
Rosa widerstand dem Drang, sich zu entspannen, seine Stimme auf sich wirken und einfach unter die Haut gehen zu lassen. Es war keine Erleichterung. Und es war kein Begehren. Das konnte es nicht sein.
»Vielleicht muss ich genäht werden«, sagte sie kurz angebunden.
Er zog die Augenbrauen vor Überraschung bis zu der schokoladenbraunen Locke hoch, die ihm in die Stirn fiel. »Was ist passiert?«
»Schusswunde. Nur ein Streifschuss, aber er muss genäht werden.«
»Ich bin gleich wieder da.«
Lass mich ja nicht ohnmächtig werden. Nicht vor ihm.
Sie lehnte den Kopf mit geschlossenen Augen zurück und hoffte, dass es gegen das Schwindelgefühl helfen würde. Aber er ertappte sie dabei, da er viel schneller zurückkehrte, als sie erwartet hatte. Ihr stieg die Schamesröte ins Gesicht, weil sie sich hatte erwischen lassen, aber Chris reagierte nicht darauf, sondern konzentrierte sich stattdessen auf das Blut, das ihr Hemd durchtränkt hatte. Mit sanften Händen hob er den Stoff an, steckte ihn unter ihrem Arm fest und säuberte die Umgebung der Wunde mit der Seife und dem sauberen Wasser, die Viv dagelassen hatte.
»Sechs Stiche sollten ausreichen«, sagte er, »und du hattest recht. Es ist nur ein Streifschuss.«
Sie lachte leise. »Ich glaube, ich wüsste es, wenn eine Kugel in mir stecken würde.«
»Hattest du schon einmal eine
Weitere Kostenlose Bücher