Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
den Mund zu schieben. Ein Schraubstock aus Gefühlen, die er nicht recht deuten konnte, schnürte ihm heiß den Brustkorb zusammen. Stolz vielleicht – auf sich selbst und auf ihr Vertrauen. Zorn auf diejenigen, die sie misshandelt hatten. Und das Wissen, dass er das Tal nicht verlassen konnte, solange diese Frauen seine Fürsorge benötigten.
Mit jedem Löffel kehrte ein bisschen Kraft in sie zurück. Der Brei roch nach Buchweizen und vielleicht sogar nach Agavenwein. Sie aß immer begeisterter. Bald war die Schüssel leer, und sie stieß einen tiefen Seufzer aus. Obwohl das Essen sie wahrscheinlich erschöpft hatte, wirkte sie durch die Mahlzeit verjüngt.
» Bueno «, sagte er. » Bueno. ¿Cómo te llamas? «
»Sara«, flüsterte sie.
Er fragte sie nach ihrem Alter. Neunzehn. Er fragte, wo sie geboren war. Guadalajara. Er fragte, ob sie die Namen der anderen Frauen kannte. Sie sah sich mit trostloser Miene um und schüttelte dann den Kopf.
»Ich habe sie zum ersten Mal in dem Transporter gesehen«, sagte sie auf Spanisch mit ersterbender Stimme.
»Wer hat euch das angetan?«
Wieder schüttelte sie den Kopf.
Chris wollte sie nicht noch weiter bedrängen. Er schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. Dann fällte er noch eine Entscheidung: Diese Frauen waren unter keinen Umständen schon so weit, sich von einem Mann untersuchen zu lassen, ob er nun Arzt war oder nicht. Sie waren durch die Hölle gegangen. Seine eigene Bewährungsprobe hatte nur darin bestanden, sich in der Wildnis durchzuschlagen, aber was diese Frauen seit dem Wandel hatten tun müssen, um zu überleben … Er fühlte sich nicht tapfer genug, um auch nur darüber nachzudenken.
Mit einem letzten Lächeln stand er auf und verabschiedete sich von Sara. Rosa war zu einer anderen Frau hinübergegangen, einer grobknochigen Blondine, die sicher einmal recht kräftig gewesen war. Jetzt wirkte sie abgemagert, und ihre Augen blickten wie die eines Soldaten mit posttraumatischer Belastungsstörung.
»Kann ich dich eine Minute sprechen, Jefa ?«
Rosa bemerkte vielleicht seinen distanzierten Tonfall. Er hoffte, dass sie es tat. Aber sie hatte ebenfalls ein Pokerface aufgesetzt, nickte und folgte ihm zur Rückwand des Saals.
»Diese Frauen sind für mich noch nicht bereit«, sagte er leise.
Sie blinzelte, als ob seine Einschätzung sie überraschte. »Nein, sind sie nicht.«
»Die, mit der ich gesprochen habe, heißt Sara. Sie sagte, sie hätte die anderen erst getroffen, als sie gemeinsam in dem Transporter gelandet sind.«
»Die Aschblonde da drüben heißt Allison. Sie hat das Gleiche erzählt. Weitergereicht, bis sie bei den anderen hier gelandet ist.« Rosa presste die Lippen aufeinander und schien sich dann zu zwingen, sich zu entspannen. »Ich habe schon von so etwas gehört. Fahrende Händler erzählen, O’Malley sei bekannt dafür, dass er Frauenhandel betreibt.«
»Dreckskerl«, sagte Chris knapp. »Mein ärztlicher Rat? Essen. Der Brei scheint zu funktionieren. Wasser, so viel sie wollen.« Er rieb sich den Nacken. »Wenn Viv und Singer mithelfen, können sie sie vielleicht waschen und in neue Kleider stecken. Das hebt die Moral.«
»Stimmt.«
»Wir lassen ihnen eine Woche Zeit, warten ab, ob sie darauf ansprechen. Dann sind sie vielleicht innerlich stark genug, eine körperliche Untersuchung zu verkraften, vor allem, wenn sie sich mit euch dreien anfreunden.«
»Wir könnten während der Untersuchung anwesend sein. Ich glaube, das würde …« Sie räusperte sich, den Blick immer noch auf Allison gerichtet. »Das würde ihnen helfen.«
Rosas Rückfall in Emotionalität grenzte sich deut lich von ihrem bisherigen Verhalten ab: kurz angebunden und professionell, aber zugänglich. Sie hatte seine Vorschläge nicht reflexartig aus reinem Stolz abgelehnt. Es gefiel ihm, dass sie zumindest schon so weit war, seine Ratschläge als das zu betrachten, was sie waren: gut gemeint.
»Ich stelle mich den anderen vor, sobald ich den Eindruck habe, dass es ihnen recht ist«, sagte er. »Dann überlasse ich den Rest dir und Viv.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er daran, sich um die Frauen zu kümmern. Eine auslaugende, herzzerreißende Stunde später hatte Chris getan, was er konnte. Für den Augenblick. Drei weitere Stunden verbrachte er dann damit, bei Hausbesuchen Schusswunden zu säubern und festzustellen, ob sie sich entzündet hatten. Keiner der Bravos war ein mustergültiger Patient. Ex bestand trotz seiner Schulterwunde darauf, in
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