Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
Leib auch nur einen einzigen Ork verjagen oder einen einzigen Banditen fangen wollte.
Hoch aufgerichtet stand Argniòlo über ihm.
»Steh auf, du Flegel, wenn ich mit dir rede«, sagte er zu ihm ohne Schärfe, ja, mit einer gewissen Sanftmut im Vergleich dazu, wie er sonst mit ihm sprach. »Ihr habt jetzt lang genug auf der faulen Haut gelegen, du und die anderen Schmarotzer.«
Noch einmal verspürte Rankstrail die Angst, klein, dünn, unfassbar und flüchtig. Immer noch verstand er nicht, warum man ihn in eine Zelle gesperrt hatte, aber wenigstens wusste er, warum man ihn herausholte. Es gab Ärger, und sie hatten niemand anderen, den sie schicken konnten. Die einzige Art von Ärger, die ihm einfiel, die einzige Idee, die ihm vor Augen stand, ließ ihn vor Schreck erstarren.
»Die Orks?«, fragte er mit tonloser Stimme. Es konnte nichts anderes sein. Während er in der Zelle eingesperrt war, hatte keiner die Orks aufgehalten, sie standen vor den Toren.
»Aber nein!«, antwortete Argniòlo gereizt. Dann zuckte er die Achseln.
Rankstrail folgte Argniòlo und seinen Männern. Wie sie durch die unterirdischen Gänge dahinschritten, sprangen nach und nach die Zellentüren auf, und die Männer seiner Truppe wurden einzeln oder in kleinen Gruppen daraus hervorgeholt. Der Hauptmann bemerkte, dass sie wie er selbst verdreckt waren, mit wirrem Haar und langen Bärten, aber anscheinend alle bei guter Gesundheit. Die von den Orks verletzten, waren gepflegt worden. Keiner schien Hunger oder sonst irgendwelche Entbehrungen gelitten zu haben, außer dem Eingekerkertsein. Der Einzige, dem der Verwaltungsrichter die Ehre seines Besuchs und der Bekanntschaft mit seinem Scharfrichter erwiesen hatte, war er selbst, der Lieblingssohn des geliebten Vaters der Grafschaft, wie fahrende Sänger und Höflinge ihn nannten.
Als sie so Stufe um Stufe aus den Tiefen der Verliese aufstiegen, versammelte sich nach und nach Rankstrails gesamte Truppe um ihn, oder wenigstens das, was nach einem verheerenden Rückzug und vier Einkesselungen davon noch übrig war.
Schließlich kamen sie im Innenhof des Palasts des Verwaltungsrichters zusammen.
»Hauptmann«, fragte einer, »schickt man uns gegen die Orks? Sind sie bis hierhergekommen?«
»Hauptmann«, fragte ein anderer, »warum hat man uns eingesperrt?«
Die frische Luft brachte Rankstrail ganz zu sich. Er hatte das Gefühl, aus einem seltsamen Traum erwacht zu sein. Lisentrail war wieder an seiner Seite.
Obwohl auch er wie alle anderen in den Tiefen eines Verlieses gesteckt hatte, war es ihm doch möglich gewesen, an ein paar Informationen zu kommen. Kein Wunder: ausgeschlossen, dass unter den Wachsoldaten nicht einer sein sollte, den Lisentrail kannte, irgendein Verwandter, ein Schwager oder Vetter fünften Grades, ein ehemaliger Nachbar des zweiten Ehemanns der achten Schwester, ein Nachfahr mütterlicherseits des Onkels des Urgroßvaters.
Lisentrail erklärte, dass man sie zur Strafe unter die Erde verbannt hatte, weil sie getötet und gebrandschatzt hatten, damit die Güter der Grafschaft nicht den Orks in die Hände fielen; weil sie auf diesem endlosen Rückzug Männer verloren und dem Feind Waffen überlassen hatten. Sie hätten die Befehle ausführen sollen. Abhauen, und zwar schleunigst. Was aus den Bauernhöfen wurde, wenn sie den Orks in die Hände fielen, war nicht ihre Angelegenheit, sie waren Söldner. Ein guter Söldner denkt wenig nach und ergreift keine Eigeninitiative. Er wusste auch, warum man sie jetzt herausholte. Der Elf war wieder aufgetaucht, der Letzte, der Verfluchte, der vor acht Jahren mit dem Drachen unterwegs gewesen war, und da brauchte man jemanden, der ihn einfangen ging. Argniòlo konnte nicht, denn sonst bekam seine Rüstung Kratzer, außerdem waren seine Beinschienen so hoch, dass er darüberstolperte, also schickte man sie.
Als Argniòlo das Wort ergriff, bestätigte er alles, was Lisentrail gesagt hatte.
Der erste Teil der Rede, der sich auf das Gefängnis als Strafe für den geordneten Rückzug bezog, musste Argniòlo selbst nicht allzu überzeugend vorkommen, denn er haspelte ihn schnell herunter, ohne Kommentare oder Beschimpfungen.
Als er jedoch anfing, von dem Elfen zu sprechen, legte sich Argniòlo richtig ins Zeug. Seine Beredsamkeit bekam geradezu lyrische Töne, seine Rhetorik schwoll mächtig an. Ausführlich schilderte er Mütter mit Kindern im Arm, ausgezehrt vom Hunger und bedroht von der Pest, und er erklärte, dass all dies
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