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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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dem etwa zwanzig Feigen steckten.
    »Nein«, sagte Rankstrail mit der Andeutung eines Lächelns. »Aber ich setze mich zu dir und höre dir zu, wenn du mir noch einmal von den Blutegeln erzählst, vielleicht habe ich ja einen Teil der Geschichte nicht richtig mitbekommen.«
    Der Gefreite gab ihm eine Feige, den Rest seines Abendessens sollte er sich bei denen besorgen, die er nicht für den Wachdienst eingeteilt hatte.
    Die jüngeren Soldaten hatten ein paar Mäuse gefangen.
    Rankstrail konnte ein letztes Stück Federvieh erlegen, das dem Hunger der Belagerten wie durch ein Wunder bisher noch entgangen war.
    Während sie die Spieße herrichteten, verbreitete sich der unverwechselbare Geruch von frisch gebackenem Brot in der Luft, der absolut hinreißendste Duft, den es in der Menschenwelt gab. Lisentrail tauchte auf mit einem Korb voll kleiner, flacher Brotlaibe. Hinter ihm kamen zwei weitere Soldaten, die Arme voll bepackt mit Decken. Es waren sichtlich saubere, ordentlich gefaltete Decken, bestehend aus vielen verschiedenen Stoffflicken in den unterschiedlichsten Farben.
    »Habt ihr das Zeug gekauft?«, fragte Rankstrail, indem er aufstand. Er hoffte aus ganzer Seele, sie würden mit Ja antworten: Einen Diebstahl solchen Ausmaßes konnte er nicht durchgehen lassen.
    »Nein, Hauptmann«, antwortete der Gefreite, »das hat man uns geschenkt. Zum Dank.«
    Das war, vorsichtig ausgedrückt, höchst unwahrscheinlich, aber die Soldaten mit den Decken bestätigten es. Einige Frauen aus der Stadt waren gekommen, um ihnen dieses Geschenk zu bringen. Für das Brot hatten sie die letzten, sorgsam gehüteten Säcke Mehl aus sämtlichen Vorratskammern Daligars hervorgeholt und für die Decken hatte jede Frau einen Zipfel ihres Rockes geopfert. Angeführt wurde die Gruppe von einer Kleinen mit feuerrotem Zopf und einem weiten grünen Rock, die Lisentrails Ansicht nach eine Schwäche für den Hauptmann haben musste, denn er hatte sie schon öfter gesehen, wie sie aus der Ferne zu ihnen herüberschaute. Er wies auf den Flicken aus dunkelgrünem Samt, der zu ihrem Rock gehörte, aber selbst da begriff Rankstrail nicht, wovon die Rede war, weil er überhaupt nicht darauf geachtet hatte.
    »Da haben wir also etwas zu essen und etwas gegen die Kälte in der Nacht«, sagte Lisentrail fröhlich.
    »Es ist Sommer«, entgegnete Rankstrail grimmig und betrachtete ein Stück schwarzen Samt mit Silberfäden darin, das sich zwischen die Baumwoll- und Wollflicken verirrt hatte.
    Den Mund vollgestopft mit frischem Brot und gebratenen Mäusen, versuchten die Männer, auch die anderen Flicken in den Decken zuzuordnen. Der dunkelrosa Flicken gehörte zur Mutter eines der Kinder, die vom Scheiterhaufen der Orks gerettet worden waren, das mit Röschen bestickte Hellblau gehörte dem hübschen Mädchen, das immer am Brunnen Wasser holen ging. Auch das verblichene Schwarz der Bettlerin wurde wiedererkannt und der kleine Lederflicken aus dem Rock von Morgentau.
    Es war ein merkwürdiger Augenblick.
    Sie waren kein Schlachtfleisch mehr, gut höchstens für den Henker, miserabel verpflegt und in Verschläge gepfercht.
    In den Brotlaiben waren kleine Gaben versteckt, Sesam- oder Sonnenblumenkerne, Rosinen, Nüsse, Pinienkerne, Oliven, Minzeblättchen, Rosmarin, Stückchen von einem weichen, süßen Holz, das einer der Männer, dessen Mutter Köchin war, als Zimt identifizierte.
    »Aber wo haben sie all das Zeug nur her, nach Wochen der Belagerung?«
    »Sie haben das aufgehoben bis zum Schluss. Für eine letzte Mahlzeit, das letzte Abendmahl, so etwas in der Art.«
    »Und sie haben es für uns hergegeben?«
    »Sie haben es für uns hergegeben.«
    »He, Hauptmann«, sagte Lisentrail munter, »weißt du was? Jetzt wo die Schwere Kavallerie mit dem Richter abgehauen ist, um ihn in Alyil vor den Ziegen zu schützen, sind nur noch wir da als Garnison der Stadt!«
    »Das stimmt«, sagte ein anderer. »Wenn wir morgen unseren Angriff verfehlen, krepieren wir alle bis auf den letzten Mann, und es rettet uns keiner mehr, aber wenn wir siegen …«
    »Wenn wir siegen, sind wir nicht mehr die Männer vom Söldnerheer. Dann sind wir Menschen, und basta …«
    Der Satz blieb unvollendet. Viele Männer senkten den Blick und schauten auf ihre fehlenden Finger, auf die ungleichen und geflickten Beinschienen. Wenn sie am nächsten Tag siegten, wären diese Dinge vielleicht nicht mehr so wichtig.
    »Männer, macht euch keine Illusionen. Das ist nur unsere Henkersmahlzeit«,

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