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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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um Verz …«
    »Ihr habt mein Leben gerettet«, unterbrach Aurora sie, »am ersten Tag, da ich Euch begegnete. Ich saß damals in meiner Sänfte, und Ihr wart gefesselt, in Lumpen, blutverschmiert und übersät von blauen Flecken. Wir alle, und ich als Erste, beugten den Kopf vor meinem Vater. Ihr aber habt gekämpft. Erst als ich Euch sah, begriff ich, dass man sich dafür entscheiden kann, zu kämpfen. Jedes Mal wenn Angst und Mutlosigkeit größer waren als die Zimmer, in denen ich eingesperrt war, dachte ich an Euch. Wenn Ihr kämpfen konntet, konnte ich das auch. Nach dem Tod meiner Mutter wart Ihr für mich einer der beiden Fixsterne, die Licht in meine Jugend brachten. Ich verstehe, warum Euer Gemahl Euch liebte, wegen Eures Muts, Eures Glauben und, mit Verlaub gesagt, Herrin, wegen Eurer Wildheit …«
    Aurora holte Luft, dann erhellte ein schüchternes Lächeln ihr Gesicht.
    »Herrin … Argniòlo … Der Seneschall und ich haben seine … sein … das, was von ihm übrig ist, zusammengetragen und auf dem Friedhof von Daligar beigesetzt.«
    Rosalba sah sie an. Bei dem Namen Argniòlo war die Erinnerung an Yorshs Tod in ihr wieder wach geworden, wie wenn eine frisch verheilte Wunde aufreißt, und eine Weile lang vermochte sie nicht zu sprechen. Schweigend stand die Königin-Hexe da und sah Aurora an. Als sie ihre Stimme wiederfand, konnte sie Aurora in ruhigem und gelassenem Ton dafür danken, wie man für eine kleine Gefälligkeit dankt, fürs Aufhängen von Wäsche oder fürs Umtopfen der Geranien. Auch Argniòlo musste eine Geschichte haben.
    »Ich würde Euch auch gern ein Stück von meiner Kette geben«, sagte sie, nahm sie ab und begann, daran herumzunesteln. Mittlerweile hatte sie eine gewisse Übung darin. »Wenn ich sie noch kürzer mache, wird es ein Armband, aber ein letztes Plättchen kann ich noch entbehren, und ich will unbedingt, dass Ihr es bekommen sollt. Als Unterpfand meiner Freundschaft, an der es Euch nie mangeln soll.«
    »Mit unendlicher Freude nehme ich es entgegen, Herrin«, beteuerte Aurora, »Ich werde es zu meiner Kette hinzufügen. Es freut mich auch sehr, ein Unterpfand Eurer Freundschaft zu besitzen.«
    Aurora verneigte sich und nahm Abschied, stolz und wunderschön.
    Rosalba sah ihr nach. Zum ersten Mal empfand sie keinerlei Hass oder Groll auf sie, nur Dankbarkeit und Zärtlichkeit.
    Noch lang hing sie ihren Gedanken nach. Es gab für sie keinen Zweifel, dass der zweite Fixstern, der Licht in Auroras Jugend gebracht hatte, jener Mann war, der ihr den Bogen geschenkt hatte. Zum ersten Mal wurde ihr klar, in welch auswegloser Finsternis Aurora gefangen gewesen sein musste, in ihren Kleidern aus Brokat und Silber und mit den perlenbesetzten Haarnetzen.
    Rosalba überließ sich Gedankengängen, die vielleicht trivial, für sie aber völlig neu waren, Wahrheiten, die sie nie gestreift hatten, sie aber faszinierten wie die Entdeckung eines unbekannten Kontinents. Sie überlegte, wie absolut fragwürdig doch die Begriffe von Sieg und Niederlage sind. In dem Moment, der ihr stets als einer der erbärmlichsten in ihrem Leben erschienen war, hatte sie in ein anderes Leben Licht gebracht. Sie überlegte, und auch das berührte sie wie das Erlernen einer neuen Sprache, wie oft das, was wir im Blick der anderen zu erkennen glauben, bloß das Spiegelbild unserer eigenen Ängste ist. Die vermeintliche Verachtung in Auroras Blick war stets eine Projektion ihrer Angst vor der eigenen Wildheit gewesen und dass diese sie von Yorsh entfernen könnte.
    Sie war sie. Es waren ihre menschliche Wildheit und ihr Orkblut, die ihr die Entschlossenheit und die Grausamkeit verliehen hatten, Daligar zu retten, ihre Kinder und die Welt.
    Auch wenn zweifellos Grausamkeit Bestandteil der Mischung war, musste man sie als kostbares Gut ansehen und mit äußerster Sparsamkeit einsetzen. Die Königin rief den Seneschall und gab ihm Befehl, die Leichen der Orks zu bestatten, so gut es ging. Sie befahl ihm, für die Orks einen Friedhof anzulegen, tief im Wald und abseits von Wegen, um Grabschändungen zu vermeiden, und sie empfahl, das solle ein … ein …
    »Ein schicklicher Ort sein?«, half der alte Herr aus.
    »Ein schicklicher Ort«, bestätigte die Königin.
    »Da sind die Kastanienwälder gleich hinter der Lichtung, wo Hauptmann Rankstrail die Gefangenenlager hat errichten lassen.«
    »Ich glaube, das passt«, antwortete Rosalba.
    Sie wollte nicht, dass Yorshs Kinder in einer Stadt aufwuchsen, wo sich auf

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