Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
musste Rankstrail etwas Elfisch lernen, nicht viel, aber genug, um einige Worte auch in dieser Sprache schreiben und entziffern zu können. Auch das war spannend zu lesen. Schon der Verrückte Schreiber hatte ihm diese Schlachten geschildert, aber das zu hören, war gar nichts im Vergleich zu den schematischen Darstellungen.
Bei der siebten und achten Expedition bemerkte Rankstrail, dass ihnen andere Wanderer begegneten, hauptsächlich Händler mit Salz und Tierhäuten. Manchmal auch Stoffhändler mit ihren bunten Karren, gelegentlich fahrende Sänger oder Gaukler. Entlang der Straßen wurden Herbergen eröffnet und Werkstätten von Hufschmieden; Händler mit getrockneten Kastanien oder Wildschweinwürsten schlugen ihre Stände auf.
Sobald die Nacht hereinbrach, hob Rankstrail seine Blicke zum Himmel, an dem nun Sterne und Sternbilder strahlten, deren Namen er kannte und die ihnen, wie auf einer Karte mit einem verschlüsselten Alphabet, den Weg wiesen.
Der Alte hatte nicht gelogen: Die Kühe waren ein Segen. Es genügte ein Vierteljahr ihrer Anwesenheit und die Hügel begrünten sich wieder. Ein feiner Regen begann, mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu fallen. Im Frühjahr trugen die Oleander wieder große weiße und rosa Blüten, und die Schlammlöcher verwandelten sich in Rinnsale und kleine Bäche.
Als die Oleander in den Herbststürmen ihre Blüten abwarfen, wurden aus den Rinnsalen echte Bäche mit klarem Wasser.
Die Zinsen der für den Ankauf der Kühe erforderlichen Kredite wurden in Arbeitsstunden erstattet. Der Alte ließ damit tiefe Kanäle ausheben und mit Ton auskleiden, die sich, ausgehend von den Bächen, im Nichts verliefen. Zwischen den Kanälen ließ er in regelmäßigen Abständen Orangenbäume pflanzen. Anfangs waren die Kanäle leer, doch durch die Regenfälle füllten sie sich nach und nach mit Wasser, das in der Sonne glänzte. Durch den Ton konnte das Wasser nicht im Boden versickern, also verteilte es sich in unzähligen Rinnsalen zwischen den Wurzeln der Bäume, die ihr stolzes Grün wie Punkte ins Ockergelb des Bodens tupften.
»Wie unser Herr Sire Arduin gesagt hat, Kriege müssen immer zwei auf einmal geführt werden, damit sie endgültig sind: einer gegen diejenigen, die morden und plündern, und einer gegen den Hunger, weil es der Hunger ist, der die Menschen zum Morden und Plündern treibt, und dann geht wieder alles erneut los und man muss wieder von vorn anfangen«, sagte der Geldverleiher zu Rankstrail am Jahrestag von dessen Ankunft in Kastei Hohe Wacht, den sie gemeinsam feierten. »In gewisser Weise habe ich die Rolle des Großkanzlers übernommen, der Ratschläge erteilt, und Ihr die des Königs, der das Heer führt und für das Wohl des Volkes sorgt. Meint Ihr, heute könnt Ihr einen Teller Bohnen annehmen?«
»Wer seid Ihr?«, fragte der Hauptmann.
»Ich habe es Euch schon gesagt, Hauptmann, ich bin Nikli, der Geldverleiher.«
»Ich will wissen, wer Ihr seid und wer Euch die Füße verstümmelt hat. Wenn mir die Antwort nicht missfällt, so werde ich dann vielleicht einen Teller Bohnen annehmen.«
Der Alte, der über seinen Topf gebeugt stand, wandte sich um und sah ihn lang an, bevor er antwortete.
»Ich war Großkanzler, Ratgeber des letzten Königs von Daligar. Der König war ein ausgemachter Dummkopf, das stimmt wohl, aber er war kein Verbrecher. Wäre die Welt nicht durch die Endlosen Regenfälle überschwemmt worden, hätte ich ihn auf dem Pfad der Weisheit halten können. Wenn es richtig ist, dass man Kriege immer zwei auf einmal gewinnen muss, so ist doch auch wahr, dass man auch leicht zwei auf einmal verliert. Herrscht in einem Land Elend, so findet jeder Gehör, der Schutz und Abhilfe verspricht. Wisst Ihr, Hauptmann, wenn die Menschenwelt von Unheil heimgesucht wird, ist es unerträglich, denken zu müssen, dieses Leiden sei durch bloßen Zufall verursacht. Da kommt dann die gemeine und niederträchtige Versuchung auf, die Wirklichkeit für kontrollierbar zu halten und anzunehmen, und es gebe da jemanden, der diese Kontrolle ausübt, jemand, der so mächtig ist, dass er das Unheil herbeiführt, und zugleich so ohnmächtig, dass er sich durch uns verfolgen lässt; so schlau, dass er die Geschicke der Welt lenken kann, und zugleich so blöde, das auch noch zuzugeben. Da bilden die Menschen sich dann ein, Herren über ihr Schicksals zu sein. Es genügt, die Verantwortlichen für das Leid ausfindig zu machen und zu vernichten, dann wird wieder alles
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