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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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war, dass auch ja kein Krümel verloren ging, wie die Armen es machen, dann teilte er auch die Bohnen brüderlich mit ihr. Das Mädchen sah sie lang neugierig an, es waren offenbar die ersten, die sie zu Gesicht bekam. Rankstrail nahm sich vor, sollte er je dem Koch begegnen, so würde er ihm Bohnenpastete empfehlen, mit einer Spur Petersilie, sodass etwas Abwechslung in Auroras Hungerdiätplan kam.
    Als das Brot und die Bohnen zu Ende waren, führte Rankstrail das Mädchen ans Ende des Gartens, wo es einen kleinen Teich gab. Als sie kamen, flog träge ein Reiher auf, und zwei Entenjunge flüchteten sich in das Gestrüpp aus Gräsern und Schilf, wovon er umstanden war.
    »Könnt Ihr einen Stein hüpfen lassen?«, fragte er.
    Aurora schüttelte den Kopf. Rankstrail suchte einen flachen Stein und ließ ihn übers Wasser springen. Beim ersten Wurf setzte er viermal auf, beim zweiten Wurf dreimal und beim dritten Wurf fünfmal. Fasziniert sah Aurora zu. Auch sie suchte sich einen flachen Stein. Rankstrail wollte ihr erklären, wie sie ihn in der Hand halten musste, um ihm die richtige Richtung und die erforderliche Kraft zu geben, aber sie unterbrach ihn mit einem kleinen Lächeln.
    »Das habe ich schon von allein begriffen!«, sagte sie triumphierend. »Man muss nur denken, man sei der Stein!«
    Ihr Stein setzte fünfzehnmal auf, wobei er im strahlenden Licht das Nachmittags fünfzehn Tropfenkronen auffunkeln ließ; wenn sie zurückfielen, bildeten sie eine endlose Serie von konzentrischen Kreisen, die sich überschnitten und dann verebbten. Aurora lachte hell auf, doch beim Klang ihrer eigenen Stimme verstummte sie gleich wieder, schlug die Hände vor den Mund und sah sich besorgt um, als wolle sie eine unverzeihliche Unartigkeit wiedergutmachen.
    »Seht Ihr das?«, fragte Rankstrail und wies auf den Rand des Tümpels.
    »Ja, mein Herr, das sind Kaulquappen«, antwortete Aurora verständig. »Wenn sie größer werden, ändern sie ihre Form und werden Frösche.«
    »Ja, das stimmt, aber nicht alle. Seht Ihr, es sind Hunderte davon da, vielleicht Tausende. Wenn aus allen Frösche würden, wäre Euer Haus voll damit vom Keller bis unters Dach, Ihr könntet Euch nirgendwo hinsetzen, immer wäre da schon ein Frosch, Ihr könntet nichts lesen, ohne dass Euch ein Frosch aufs Buch springt, und abends hättet Ihr erhebliche Mühe, Euch Euren Platz im Bett von ihnen freizuräumen.«
    Zum zweiten Mal erlaubte sich Aurora, laut aufzulachen, wieder schlug sie die Hände vor den Mund, aber ihre grünen Augen funkelten wie ein Licht im dunklen Unterholz. Auch als sie wieder ihre übliche steife Haltung einnahm, blieb das Funkeln in ihrem Blick.
    Rankstrail beugte ein Knie auf den Boden, sodass er dem Mädchen direkt in die Augen schauen konnte.
    »Nur aus ein paar von diesen Kaulquappen werden Frösche«, erklärt er. »Die übrigen sind als Nahrung da, für die Reiher, für die Enten und für alle, die nichts anderes haben. Meine Geschwister und ich haben wochenlang nichts anderes gegessen als Schnecken und Frösche. Jetzt könnt Ihr wählen, entweder bringe ich Euch bei, wie man ein Kaninchen isst, ich zeige Euch also, wie man ihm die Haut abzieht, wie man Feuer macht und es brät, oder ich bringe Euch bei, wie man Kaulquappen fängt und auf einem Stein in der Sonne gart, ohne Feuer zu machen, aber ich gehe nicht eher weg von hier, als bis Ihr etwas gegessen habt, was diese Leichenblässe aus Eurem Gesicht vertreibt.«
    Entsetzen zeichnete sich in Auroras Augen ab, die jedoch auch jetzt nicht wieder ins Leere abglitten, sondern glänzten und hellwach waren.
    »Verzeiht mir, Herr, wenn ich Euch widerspreche, es kann nicht mein Wille sein, dass lebendige Wesen zu Tode kommen«, sagte sie.
    »Auch Ihr seid lebendig und Euer Leben ist mehr wert als das der Kaulquappen. Ihr braucht Fleisch auf Euren Knochen und Blut in Euren Adern, und zwar dringend. Wer nicht isst, ist zu nichts imstande, außer das Leben an sich abgleiten zu lassen, bis der Tod kommt. Der Hunger ist eine Demütigung, die viel schwerer wiegt als das Leben einer Kaulquappe und auch als das Leben eines Kaninchens. Hunger bedeutet Schmerz, und dieser Schmerz ist unrein, weil man sich seiner schämt, und wenn man sich schämt, gibt es keine Würde und keinen Mut mehr. Wenn man Hunger hat, kann man nicht einmal mehr vernünftig denken.«
    Rankstrail wartete Auroras Zustimmung nicht ab und fing mit seinen riesigen Händen ein Dutzend Kaulquappen.
    »Jetzt zerquetsche ich

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