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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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konnten gar nicht mehr aufhören, und wenn es uns zu weh tat, haben wir uns umarmt und so zusammen weitergeweint. Mein Vater hat den Grabstein für meine Mutter gemeißelt. Ich habe ihm die Buchstaben gezeigt, die er verwenden musste, und dann hat er zwei Schwäne dazu gemacht, das waren er und meine Mutter, und zwischen den beiden Schwänen drei Junge, das waren meine kleinen Geschwister und ich. Das hat uns gefallen.«
    Rankstrail widerstand der Versuchung hinzuzufügen, dass dies das erste und letzte Mal in seinem Leben gewesen war, dass er geweint hatte, und er verstummte. Das war nun wahrhaftig eine seltsame Unterhaltung, aber aus irgendeinem Grund war sie für Aurora von größter Bedeutung. Rankstrail hatte das Gefühl, einer verdurstenden Pflanze Wasser zu geben.
    Das Kaninchen war fast fertig.
    »An was ist denn Eure Mutter gestorben?«, fragte Rankstrail leise, in der Hoffnung, keine Dummheit zu begehen.
    Es war eine Dummheit.
    Die Augen des Mädchens glitten wieder ins Nichts ab. Es war, als hätte die Unterwelt ihre Schatten über das Grün dieser Augen geworfen und alles Leben daraus getilgt. Sie zitterte leicht.
    Auf dem Gebiet der Idiotie musste Rankstrail sich wieder einmal selbst übertroffen haben. Er verfluchte sich, aber es war sinnlos zu wünschen, die Götter möchten ihn im Boden versinken lassen, denn das passierte ja doch nicht. Wieder beugte er ein Knie auf den Boden und sah dem Mädchen direkt in die Augen, bis sie zurückkehrte aus ihrem Nichts und ihn, wenn auch unter Schwierigkeiten, ansah. Während sie ihm ins Gesicht sah, beruhigte sie sich und auch das Zittern verging. Aber sie blieb noch lang sehr nachdenklich.
    »Ich glaube, meine Mutter hat auch eine Form von Husten gehabt, aber ich glaube nicht, dass man den Arzt gerufen hat«, mehr sagte sie nicht.
    Die Information war so lückenhaft wie voll düsterer Anspielungen. Nicht nur war klar, dass man dem Mädchen verboten haben musste, die eigene Mutter zu beweinen, weil das eine abwegige Tätigkeit war, in etwa so unanständig wie Essen mit den Fingern oder überhaupt Essen. In ihrem Nichtssagen sagte das Mädchen ihm, dass der Tod seiner Mutter beabsichtigt gewesen war.
    »Wollt Ihr mir noch mehr darüber erzählen, wie es geschehen ist?«, fragte er ernst.
    Rankstrail hatte seine Wachsamkeit auf Schlachtfeldern und im Erkennen von Hinterhalten geschult. Ja, Wachsamkeit hatte er schon als Kind gelernt, wenn er vor der Nase der Jagdhüter wilderte. Er witterte die Gefahr, nahm sie wahr wie einen Geruch oder eine Bewegung in der Luft.
    Genau dieses Gefühl hatte er jetzt. Er hatte die nicht präzisierbare, aber bestimmte Ahnung, dass das Mädchen ihm ein so unerhörtes, unaussprechliches Geheimnis enthüllen wollte, was sein Leben in Gefahr bringen würde. Das war dann keine Frage von Peitschenhieben mehr. Wenn irgendjemand erfuhr, dass er davon etwas wusste, war er ein toter Mann.
    »Nein«, flüsterte Aurora ausweichend, nachdem sie lang über die Frage nachgedacht hatte, und es war klar, dass sie log. Da gab es etwas, was sie unbedingt sagen wollte, aber nicht sagen würde. Sie war ein tapferes Mädchen.
    Die Enten schnatterten aufgeregt, als der alte Kater vorüberstrich. Die Baumwipfel rauschten im Wind, der aufgekommen war, und von Neuem hörte man Lautenklänge und Applaus.
    »Das Kaninchen ist fertig«, sagte Rankstrail.
    In diesem Augenblick begann es zu regnen.

Kapitel 13
    Sie flüchteten sich unter das Vordach des Geräteschuppens. Das war offenbar das älteste Gebäude in der schmucklosen und geradlinigen Anlage, denn das Dach ruhte auf einer Reihe von Säulen und Bögen, was dem ganzen Bau ein wenig das Aussehen eines Zauberschlösschens verlieh.
    Vor dem Regen geschützt, machten sie es sich auf dem Sockel der Säulen bequem.
    Rankstrail schnitt das Kaninchen auf. Er holte seinen Salzvorrat hervor, den er in einem Horndöschen bei sich trug, zusammen mit den Feuersteinen seine kostbarste Habe. Wie er die Teile nach und nach aufschnitt, salzte er sie und legte sie auf große Farnblätter, die ihnen als Teller dienten.
    »Erlaubt Ihr, dass ich Euch eine Frage stelle, mein Herr?«, sagte Aurora.
    »Gewiss, mein Fräulein«, antwortete Rankstrail und hoffte inständig, dass sich die Frage auf den Unterschied zwischen Armbrust und Bogen oder die Verwandlung von Kaulquappen in Frösche beziehen möge.
    »Unrein ist ein Schmerz dann, wenn wir an dem, was uns schmerzt, Schuld haben, nicht wahr? Unrein ist der Schmerz über

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