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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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war, und hielt es ihr hin, damit sie ihre Tränen trocknen und sich die Nase putzen konnte.
    Aurora griff mit der Hand in die tiefe Tasche in ihrer Samtjacke, um etwas herauszuholen. Sie öffnete die Hand und da lag ein Kettchen mit zwei winzigen goldenen Eicheln daran.
    Überrascht sah Rankstrail sie an.
    »Habt Ihr immer noch nicht verstanden, Herr«, hauchte Aurora.
    »Nein«, antwortete der Hauptmann ehrlich.
    »Man hat meinem Herrn Vater hinterbracht, was ich gesagt habe. Man erzählte ihm, wie schön ich die Kette gefunden habe, man redete ihm ein, ich wolle sie haben. Offenbar habe ich in meinem ganzen Leben niemals geäußert, dass ich etwas schön finde. So sagte mir jedenfalls mein Herr Vater, dessen beständiger Wunsch, mir Freude zu bereiten, andauernd von meiner vollkommenen Wunschlosigkeit entmutigt wird, und der sich daher diese Gelegenheit nicht entgehen lassen wollte. Meinem Herrn Vater erschien es überaus wichtig, dass ich diese Kette bekomme, um mir seine übergroße Liebe zu beweisen. Also ließ er den Kommandanten der Wachmannschaften des Hochverrats anklagen. Der Mann endete am Galgen, seine Kinder haben keinen Vater mehr und seine Gemahlin ist allein. Sein gesamtes Hab und Gut ist beschlagnahmt worden, einschließlich dieser Kette, die jetzt in meinem Besitz ist, und sie quält mich tausendmal mehr, als wenn sie aus glühenden Dornen wäre. Seine Kinder mussten ihren Vater am Galgen sehen und jetzt leiden sie Hunger. Der Mann, der den Goldschmied beauftragt hat, goldene Eicheln zu machen, um die Geburt seiner Kinder zu feiern, wird sie nicht aufwachsen sehen, versteht Ihr? An alldem trage ich die Schuld und werde sie immer tragen. Mein Herr Vater hat mir auch gestanden, dass es keinerlei Verrat gegeben hat, dass kein Verrat gestanden wurde … dass all dies nur geschehen ist, damit er mir seine Liebe bekunden und mir eine Freude machen kann …«
    Alles Weitere ging in Schluchzen unter, das sich seinerseits im Rauschen des Regens verlor.
    Rankstrail verspürte ein seltsames Gefühl, so etwas wie eine Leere im Oberbauch.
    Wurde diese Unterhaltung je entdeckt, würde er nicht nur dem Henker ausgeliefert, sondern man würde diesem auch auftragen, ein wenig mit ihm zu spielen, bevor man ihn an den Galgen brachte. Und doch war es nicht das Gefühl der Gefahr, was ihm auf der Seele lastete, sondern Grauen. In den wenigen Tagen damals in Daligar hatte er vom Kommandanten der Wachmannschaften reden hören, Mandrail hieß er wohl, der zwei Jahre zuvor des Hochverrats angeklagt und hingerichtet worden war. Stimmte die Geschichte mit dem Hochverrat gar nicht, so war sein unschuldiger Tod am Galgen Zeichen und Symbol eines abartigen und verbrecherischen Wahnsinns. Sollte jedoch tatsächlich Hochverrat verübt worden sein und Mandrail sich dessen schuldig gemacht haben, so bestand das abartige, grausame und wahnwitzige Verbrechen darin, diese ungeheuerliche Geschichte einem kleinen Mädchen zu erzählen.
    In beiden Fällen gab es nur eine Erklärung: Der Verwaltungsrichter, in diesem Augenblick Herr über sein Leben und über sein Schwert, war vollkommen wahnsinnig. Vielleicht war der Verrückte Schreiber gar nicht so verrückt. Schade, dass er tot war. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, ihn um Erklärungen zur Geschichte und zur Verkettung der Ereignisse zu bitten.
    Rankstrail beugte sich vor, um Aurora in die Augen zu sehen.
    »Jetzt hört mir gut zu, mein Fräulein, und vergesst nie, was ich Euch nun sagen werde. Jeder ist verantwortlich für seine Taten, aber auch nur für die. An dem Tag, da Ihr einem Menschen das Schwert in die Kehle stoßt, dann und nur dann seid Ihr verantwortlich für seinen Tod. An dem Tag, da Ihr einen Menschen denunziert und die Geschichte von einem Verrat erfindet, den er nie begangen hat, dann und nur dann seid Ihr verantwortlich für seinen Tod am Galgen. Jetzt hört auf, diese Kette mit Euch herumzutragen, verwahrt sie an einem sicheren Ort. Früher oder später werdet Ihr sie ihrer rechtmäßigen Besitzerin zurückgeben, und Ihr werdet alles in Euren Kräften Stehende tun, das begangene Unrecht wiedergutzumachen, oder Ihr werdet alles in Euren Kräften Stehende tun, damit so etwas nie wieder geschehen kann. Dafür braucht Ihr Eure ganze Kraft, deshalb hört jetzt auf zu weinen und fangt an zu essen. Kein guter Soldat zieht mit leerem Magen in den Kampf und Ihr habt einen Kampf zu bestehen. Fangt jetzt damit an. Heute habt Ihr gelernt, ein Kaninchen zu braten. In

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