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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
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die Ärzte von solchen Augenmassagen unbedingt abraten. Und es passierte mir auch, dass ich las und las und dann am Schreibtisch einschlief. Ich schreckte hoch. Aber fünf Minuten später war ich wieder weggenickt. Das alarmierte mich. Habe ich denn schon so abgebaut? Mit dreiundvierzig? Dass ich die Zeitung viel weiter von meinem Gesicht entfernt hielt, hatte ich selbst gar nicht bemerkt, es war einem Freund im Club aufgefallen:
    »Deine Arme sind zu kurz, Mihály!«
    Er selbst ist vielleicht anderthalb Jahre älter als ich, trägt aber schon seit drei Jahren einen Zwicker.
    Auch meine Mutter fing an, sich mit meinen Augen zu beschäftigen. Sie bemerkte, dass ich mir das Papier weiter weghalten musste, wenn ich etwas Geschriebenes betrachtete.
    Die Brille erwähnte sie nicht gleich. Aber sie brachte bei jedem meiner Besuche irgendwie die Rede auf meine Augen.
    Tun dir die Augen nicht weh?
    Deine Augen sehen wieder so müde aus, Papachen.
    Du müsstest sie schonen. Wo du so viel mit Gedrucktem zu tun hast.
    Wenn du wenigstens am Abend nicht mehr lesen würdest. Lesen bei elektrischem Licht ruiniert die Augen. Das weiß doch jeder.
    Ich muss immer an deine Augen denken, mein Sohn, du liest bestimmt auch nachts, ich kenne dich doch.
    Und so weiter, bis sie dann anfing, mir ihre Augengläser vorzuführen.
    »Was für ein Wunder ist doch ein gutes Augenglas.«
    Und:
    »Weißt du noch, wie oft ich über Kopfschmerzen geklagt habe, als ich noch keine Brille hatte, vor allem beim Nähen und Lesen, wenn die Augen müde waren?«
    Immer wenn ich sie damals besuchte, fand ich sie mit der Brille auf der Nase vor. Sie benutze sie gar nicht, höchstens wenn sie an etwas herumzupusseln hätte, hieß es.
    Ihre Augen werden doch wohl nicht schwächer geworden sein?
    »Ach wo, mein Guter, ich trage sie deshalb in letzter Zeit häufiger, weil es Mode ist. Siehst du, sogar ich werde auf meine alten Tage noch eitel.«
    Und eines Abends stellte sie fest:
    »Was war ich doch für ein Esel, dass ich mir die Gläser erst gekauft habe, als ich schon auf die sechzig ging. Auch bei mir begannen ja die Augenwinkel faltig zu werden, weil ich bei der Arbeit die Augen immer zusammenkneifen musste. Eigentlich wäre es ja schon mit vierzig so weit gewesen. Aber die verflixte Eitelkeit.«
    Erst viele Wochen später brachte sie den Mut auf, mich direkt zu attackieren:
    »Ich mache mir wirklich oft Gedanken wegen deiner Augen. Es würde gewiss nicht schaden, wenn du beim Schreiben und Lesen eine Brille trügst. Geh doch mal zu einem guten Augendoktor, du wirst sehen, er verordnet dir Gläser.«
    Das werde ich tun, Mama.
    Natürlich tue ich es nicht.
    Ich bin verzweifelt, nun ist es also so weit, ich benötige eine Sehhilfe.
    Eine Brille. Wenn es wenigstens ein Monokel wäre. Aber selbst das hasse ich bei den gesetzteren Herren der Gesellschaft, wie sollte ich es dann an mir selber mögen.
    Eine Brille macht hässlich und alt.
    Auch sind mir diese bebrillten Burschen von heute zuwider. Höchstens einem Harold Lloyd kann ich seine Brille verzeihen. Eine Sehhilfe passt zu Deutschen und Japanern. Möglich, dass ich gegen diese beiden Spezies deshalb eine ziemliche Abneigung habe, weil sie Brillenträger sind.
    Schöne Tiere tragen keine Brille. Auch wilde Naturmenschen nicht.
    Eine Brille ist Schwindel. Ein Elend. In meinen Augen so etwas wie eine Krücke. Mir war noch ein Zipfelchen von meinem Jünglingsherzen geblieben, mit dem ich all jene bedauerte, die eine Brille tragen mussten, sogar die alten Gelehrten. Und als Schüler hatte ich einen Lachanfall bekommen, als ich das Bild des Ministerpräsidenten Tisza in altungarischer Galauniform sah: pelzbesetzte Mütze, Säbel, Sporen an den Stiefeln und dazu eine Brille auf der Nase.
    Ich bin erledigt, wenn ich eine Brille tragen muss. Es wird mein erster Tod sein, so als würde ein gläserner Sargdeckel über mich gestülpt.
    Ich fing an zu spielen. Bat mir von diesem und jenem Freund und Bekannten die Brille aus, setzte sie mir auf die Nase. Bei dem einen, den ich ins Visier nahm, schwollen die Augen auf doppelte Größe an. Mit den Gläsern des anderen sah ich gar nichts, Sülze. Mir wurde schwindlig. Die dritte Brille bescherte mir eine angenehme Überraschung, vermittelte ein sauberes, frisches Bild, wenn ich durch sie in die Zeitung sah. Nein, diese Brille erboste mich, schnellstens wurde sie wieder abgelegt. Wer selbst ein Augenglas braucht, möchte es dem anderen augenblicklich aufschwatzen. Für

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