Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
stand sperrangelweit offen. Das heftige Rascheln von Papier, das Gegeneinanderstoßen von Holzkisten sowie ein undeutliches Gemurmel verrieten bereits aus der Ferne, dass Göllner tatsächlich die Regale und Kisten durchwühlte. An der Tür angekommen, musste Gret innehalten und Luft holen, so wütend machte sie sein Verhalten. Blankes Entsetzen packte sie, als sie in den Raum hineinsah. Göllner durchwühlte nicht nur die Stube, er richtete ein heilloses Durcheinander darin an. Sämtliche Bücher hatte er bereits aus dem Regal gerissen und achtlos zu Boden geworfen. Ebenso war er mit losem Papier und Notizheften verfahren. Achtlos trat er mit seinen vom Regen nassen Schuhen darauf herum. Die schmutzstarrenden Sohlen hinterließen hässliche Spuren darauf. Was würde Dora bei ihrer Rückkehr dazu sagen? Für einen Augenblick wurde Gret schwarz vor Augen.
»Hört sofort damit auf!« Ihre Knie zitterten, in ihrem Kopf drehte sich alles. Haltsuchend klammerte sie sich am Türstock fest. In ihrem Nacken spürte sie den Atem von Renata, Elßlin und Katharina König. Die drei waren offenbar froh, sich hinter ihrem Rücken verschanzen zu können. Gret haderte mit sich. Am liebsten würde sie sich rücklings auf Göllner stürzen, um ihn von seinem verwerflichen Tun abzuhalten, doch ihr Körper gehorchte ihr nicht. In ihrem Unterleib rumorte es seltsam. Mit dem nächsten Atemzug entfuhr ihr ein spitzer Aufschrei. Sie krümmte sich vornüber vor Schmerz.
Göllner fuhr herum. Die Frauen hinter ihr fassten nach ihren Schultern. Gleich ging es ihr wieder besser. Wie ein Storch stakste sie langsam los, fand sich plötzlich dicht vor dem Hausvogt, schlug ihm einen Stapel Papier aus den Händen und suchte seinen dunklen Blick.
»Was immer Ihr hier sucht, Ihr werdet es nicht finden. Hier gibt es keine geheimen Unterlagen aus dem Schloss. Das wisst Ihr ebenso gut wie ich.«
»Ihr habt es gehört«, meldete sich endlich auch die König zu Wort und trat vorsichtig näher, hielt sich allerdings immer noch halb hinter Gret verborgen. »Solltet Ihr nicht auf der Stelle verschwinden, werde ich gleich nachher der Herzogin von Eurem Auftritt berichten. Das wird sie wenig erfreuen. Seid gewiss, dass sie den Herzog höchstselbst eilig davon in Kenntnis setzen wird. Bestimmt missfällt es ihm zu hören, wie sich sein Hausvogt gegen die Witwe eines verdienten Weggefährten beträgt und in ihrer Abwesenheit das Haus durchsucht.«
»Die Mühe könnt Ihr Euch sparen.« Auf Göllners düsterem Gesicht zeichnete sich ein siegesgewisses Schmunzeln ab. »Der Herzog weiß bereits Bescheid und ist damit einverstanden. Immerhin habt Ihr selbst …«
»Worauf wollt Ihr hinaus?« Flinker, als Gret es ihr je zugetraut hatte, schlängelte sich die rundliche Bibliothekarsgattin an ihr vorbei und baute sich, die kurzen Arme in die Hüften gestützt, direkt vor Göllner auf.
»Muss ich Euch daran erinnern, dass Ihr gestern erst im Frauenzimmer der Herzogin davon erzählt habt, wie Euer Gemahl in der Nacht vor seiner Abreise noch wichtige, lang verschollene Papiere von Urban Stöckel in der Bibliothek gefunden hat? Gleich bei Tagesanbruch, so habt Ihr die Herzogin wissen lassen, habe er sie hierher in den Mühlenberg gebracht.«
Gret horchte auf. Ob es sich dabei um das von Dora vermisste Notizbuch Urbans handelte? Ihr wurde flau bei dem Gedanken, Göllner könnte es in die Finger bekommen und darin vor ihr etwas über die ungeklärte Vaterschaft erfahren. Niemals sollte er oder sonst jemand bei Hofe davon wissen. Das war allein ihre Sache, ihr Geheimnis.
»Aber nein!«, hörte sie die König wie aus weiter Ferne rufen. »Mein Mann ist doch nur deshalb hierhergelaufen, weil er zusammen mit der Stöckelin und Steinhaus den halben Weg nach Krakau …«
»Krakau?«, unterbrach Göllner sie barsch, fasste sie an den rundlichen Schultern und schüttelte sie. »Heißt das, die Stöckelin ist unterwegs nach Krakau? Und hat vermutlich die Papiere mit dabei?«
Ehe die König ihm antworten konnte, stieß er sie brüsk gegen Gret. Von der Wucht des Stoßes gerieten beide ins Torkeln.
»Krakau ist gut, Krakau ist sogar sehr gut«, murmelte er und rannte aus der Stube.
»Was habt Ihr vor?«, rief Gret ihm nach, doch er antwortete nicht mehr.
Starr vor Schreck sahen die Frauen ihm nach. Erst als unten in der Diele die Eingangstür ins Schloss fiel, wagte Renata sich zu rühren. »Das war nicht sonderlich klug von Euch, gute Frau. Bislang hat der Hausvogt wohl
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