Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
sie ihm schließlich reichte.
»Danke Euch für Euer Vertrauen.« Von neuem schenkte Gottlieb ihr eines seiner wundervollen Lächeln. »Ich werde einen sicheren Ort dafür finden. Göllner hat gewiss noch lange nicht aufgegeben, der Papiere habhaft zu werden. Was die Verhaftung Eurer Base anbetrifft, so bittet diesen Priester, Clas Tönnies, den Ihr in Eurem Bericht erwähnt habt, jeden Tag im Krakauer Rathaus vorstellig zu werden. Ein Priester stößt hier in Krakau stets auf großen Respekt, selbst wenn es sich um einen lutherischen handelt. Früher oder später werden sie ihn zu Eurer Base lassen, dessen bin ich gewiss. Bis dahin gelingt es mir vielleicht auch schon, endlich den Grund für ihre Verhaftung in Erfahrung zu bringen.«
»Danke Euch!« Gerührt wollte sie zu ihm gehen und ihm die Hände schütteln. Zu ihrer Verwunderung wehrte er ab.
»Noch gibt es keinen Grund für Eure Dankbarkeit.«
»Was wird weiter geschehen? Was kann ich sonst noch tun? Ich werde es kaum ertragen, länger untätig herumzusitzen und einfach nur zu warten, was weiter geschieht.«
»Wollt Ihr Eurer Base helfen, bleibt Euch keine andere Wahl. Bislang habt Ihr schon viel für sie getan. Jetzt solltet Ihr Euch ruhig verhalten und Geduld haben. Ihr werdet von mir hören. Es wird sich eine Lösung finden.«
»Ihr ahnt nicht, wie sehr ich das hoffe!«
Er lächelte weise und geleitete sie schweigsam zur Tür.
Die Josefsgasse breitete sich bereits dunkel vor ihr aus. Mathilda erschrak, bangte darum, überhaupt noch rechtzeitig zu den Stadttoren zu gelangen, um in Krakau eingelassen zu werden. Hastig zog sie die Schaube enger um die Schultern. Dabei fiel ihr auf, dass sie sie während ihres ganzen Besuchs bei Gottlieb nicht abgelegt hatte. Darüber war der Wollstoff auf ihren Schultern getrocknet. Im lauen Abendwind tat es gut, ihn auf dem Leib zu spüren. Bitter lachte sie auf. Jetzt war die wollene, muffig gewordene Schaube schon das Einzige, was ihr im fremden Krakau Trost und Wärme spendete. Trotzig schritt sie aus, gelangte überraschend schnell zum Stadttor und schlüpfte kurz darauf als eine der Letzten ins Krakauer Tor hinein.
21
N ach fast einer Woche im Gefängniskeller stand Dora kurz davor, aufzugeben. Weniger der elende Gestank, der unsägliche Dreck und die viel zu vielen Menschen auf engstem Raum in dem fensterlosen Verlies tief unter dem Großen Marktplatz machten ihr zu schaffen, eher fraß sich die Erkenntnis immer tiefer in sie hinein, dass alle Welt sie vergessen hatte. Weder von Mathilda noch von Steinhaus und seinen vermeintlich einflussreichen Krakauer Freunden erhielt sie Nachricht. Wer, wenn nicht sie, konnte sie aus der misslichen Lage befreien? Selbst der Gerichtsvogt, der sie hierhergebracht hatte, kümmerte sich nicht um sie. Noch immer hatte sie keine Ahnung, was er ihr vorwarf und wie lange er sie überhaupt einzusperren gedachte. Ihre Finger umfassten die Phiole mit dem blauen Schafgarbenöl in dem Beutel an ihrem Gürtel. Zum Glück war ihr die geblieben. Zwar bekam sie so weit unter der Erde nicht mit, wann die Nacht in den Tag überging und damit die beste Zeit für das geheimnisvolle Öl war, doch half ihr allein schon der Gedanke an seine Kraft über so manch schwere Stunde hinweg.
Ob Veit ihre Warnung beherzigt und die Stadt rechtzeitig verlassen hatte, bevor Steinhaus und seine Freunde ihn aufgesucht hatten? Kaum konnte sie die Vorstellung ertragen, er müsse ihretwegen weitere Unbill erleiden. Es war genug, dass er seinerzeit aus Königsberg hatte fliehen müssen. Nie mehr würde er ihr das verzeihen. Sie biss sich auf die Lippen, schluckte mühsam aufsteigende Tränen hinunter, rief sich den Anblick der Zaubergestalt des blauen Öls ins Gedächtnis.
Eine weitere Angst machte sich in ihr breit. Was, wenn sie für alle Ewigkeit von Johanna getrennt blieb? Gewiss hatte die Kleine sie längst vergessen, betrachtete die sechzehnjährige Magd Elßlin als ihre wahre Mutter, die kugelrunde Katharina König als ihre Muhme. Wie sollte sie das dem Kind verdenken? Die beiden versorgten es liebevoll. Sie dagegen hatte es aus freien Stücken in Königsberg zurückgelassen. Sie schloss die Augen, kämpfte angestrengt gegen die aufsteigenden Tränen. Besser, sie richtete ihr Augenmerk ganz darauf, warum sie das getan hatte – um Klarheit über Urbans Vergangenheit zu gewinnen. Das war für ihre eigene wie für die Zukunft ihrer Tochter von großer Bedeutung. Entschlossen öffnete sie die Lider.
In dem
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