Die Liebe des Highlanders
ein Mann Gottes war und als solcher die Aufgabe hatte, auf Erden seine Werke zu tun - trotz seiner schmächtigen Statur und seines sanftmütigen Wesens. Was auch immer hier vor sich ging, dass die Zigeuner etwas im Schilde führten, war offensichtlich. Es war seine Pflicht einzuschreiten, bevor jemand Schaden nahm. Er trat aus seinem Versteck, doch im selben Augenblick sprengte Drustan MacKeltar auf einem schnaubenden Hengst auf die Lichtung. Er sprang aus dem Sattel, zog sein Schwert aus der Scheide und stürmte auf den Zigeuner zu, der das Mädchen trug.
»Lass sie los«, brüllte Drustan mit einer Stimme, die wie tausend Stimmen klang. Seine silbernen Augen sprühten Funken. Das ist nicht die Stimme eines Normalsterblichen, sondern die Stimme der Macht, dachte Nevin.
Wieder duckte er sich.
Der Zigeuner ließ die blonde Frau fallen, als hätte er sich an ihr verbrannt, und wich zurück. Das Mädchen rollte über den steinigen Boden und blieb ein paar Meter von Nevin entfernt liegen.
Und in diesem Moment brach die Hölle los.
Besseta wehklagte leise. Auf der Lichtung wütete das Chaos. Sie wischte sich die feuchten Hände an ihrem Rock ab und sah voller Entsetzen zu, wie berittene Wachmänner aus dem Wald auf die Lichtung brachen.
Die Zigeuner, von den Männern umringt und mit dem See im Rücken, konnten nicht fliehen und zogen ihre Waffen.
Falsch, falsch, es verlief alles ganz falsch.
Besseta verließ ihre Deckung und schlich unbemerkt mitten durch den Tumult auf den Wagen zu, in dem der verzauberte Laird weggebracht werden sollte. Die Zigeuner zielten mit ihren Armbrüsten auf die Soldaten.
Die Wachmänner hoben ihre Schilde und schwangen die Schwerter.
Männer werden sterben, und Blut wird fließen, dachte Besseta und war dankbar, dass Nevin weit weg in der Kapelle war. Vielleicht wurde Drustan MacKeltar nicht verzaubert, sondern fiel in dem Kampf. Dann fiel er nicht durch ihre Hand.
Aber darauf konnte sie sich nicht verlassen.
Ich werde MacKeltar kein Leid zufügen, hatte sie Nevin versprechen müssen, und sie hielt ihr Wort immer. Denn wenn ein Sohn nicht einmal der Mutter vertrauen konnte, wem dann?
Sie hatte die Sache mit dem Zauber sorgfältig geplant und sichergestellt, dass dem Laird kein Haar gekrümmt wurde. Doch jetzt war ihr Vorhaben zunichte. Ihr blieb nichts übrig, als ihren Sohn auf andere Weise zu retten. Wenn sie Drustan MacKeltar nicht unschädlich machen konnte, bevor er sich mit diesem Mädchen vermählte ... nun, sie hatte nicht versprochen, der Lady nichts anzutun. Und niemand achtete inmitten der tobenden Schlacht auf die Kleine.
Sie lag am Boden und konnte von Pferdehufen zertrampelt werden; von einem Pfeil getroffen werden ...
Besseta wollte nichts mehr dem Zufall überlassen. Falls Drustan den Kampf überlebte, musste Besseta dafür sorgen, dass es keine Frau mehr gab, die er heiraten konnte.
Sie beobachtete aus schmalen Augen, wie das Mädchen mit den Fesseln kämpfte, und bewegte sich langsam auf den Wagen zu.
Mit zittrigen Händen nahm sie eine kleine, straff gespannte Armbrust, wandte ihre ganze Kraft auf und zielte auf das Mädchen.
Nevin riss entsetzt die Augen auf. Seine Mutter, seine eigene Mutter beging einen Mord! Sie war dem Wahnsinn vollkommen verfallen. Du sollst nicht töten!
»Nein!«, brüllte er und stürzte aus dem Gebüsch.
Besseta hörte ihn und erschrak. Die Sehne glitt ihr aus der Hand.
»Nein! Mutter!« Nevin rannte und machte einen Satz, um das Mädchen abzuschirmen. Er landete auf ihr. »Neiiii...«
Sein Schrei endete abrupt, als der Pfeil seine Brust durch- bohrte.
Besseta erstarrte zu Stein. Ihre Welt hörte auf, sich zu drehen. Der Lärm auf der Lichtung verstummte, und sie nahm ihre Umgebung nur noch verschwommen wahr. Ihr war, als stünde sie am Ende eines Tunnels - am anderen Ende lag ihr sterbender Sohn. Ein ersticktes Schluchzen drang aus ihrer Kehle, ihre Knie gaben nach, sie brach zusammen.
Wieder stand ihr die Vision vor Augen. Diesmal sah sie alles ganz deutlich, und sie erkannte endlich das Gesicht der vierten Gestalt. Der Person, die sie für unbedeutend gehalten hatte, weil sie sich ihr niemals klar zu erkennen gab.
Sie hatte sie nur verschwommen wahrgenommen, weil sie selbst diese vierte Person war.
Sie war die Frau, die den Tod ihres Sohnes herbeiführen sollte. Das Mädchen war niemals eine Bedrohung gewesen. Jedenfalls keine unmittelbare. Aber wäre das Mädchen nicht hergekommen, hätte Besseta nicht Drustan
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