Die Liebe des Kartographen: Roman
sondern auch badische Schauplätze in meine Betrachtungen ein.
Die Figur meines Kartographen Philip Vogel entstand übrigens in Anlehnung an den groÃen württembergischen Kartographen Georg Gadner (1522â1605). Im ausgehenden Mittelalter reiste dieser sein Leben lang durchs alte Württemberg. Mit einem Schrittzähler, der am Vorderfuà seines Pferdes befestigt war, vermaà er die Landschaften so genau wie möglich. Unvorstellbar, was dieser Mann alles erlebte, welche Orte er tagtäglich für sich entdeckte!
Georg Gadners groÃes Kartenwerk »Chorographica Wirtembergici« wird heute im Hauptstaatsarchiv Stuttgart verwahrt â es gehört sicher zu seinen wertvollsten Schätzen. Aber wunderschöne Reproduktionen einzelner Karten sind für uns Normalsterbliche beim Landesvermessungsamt Baden-Württemberg in Stuttgart käuflich erhältlich. Einige der aufwändig gemalten Karten zieren in meinem Büro eine ganze Wand!
Wer allerdings nach so viel »Kartographie« detaillierte Wegbeschreibungen und Wanderrouten von mir erwartet, den muss ich enttäuschen. Das Wandeln auf historischen Pfaden ist meiner Ansicht nach eine zutiefst persönliche Angelegenheit: Ganz gleich, ob der Gönninger Tulpenfriedhof Ihr nächstes Ausflugsziel ist oder ob Sie die Grabkapelle der Königin Katharina von Württemberg aufsuchen wollen â immer werden Sie dabei feststellen, dass Geschichte nicht allein zwischen Buchdeckeln oder auf einer Landkarte stattfindet, sondern auch heute noch erlebt werden sollte! Für dieses »Eintauchen in vergangene Zeiten« gibt es jedoch keine GesetzmäÃigkeiten, jeder kann und soll dabei nach seiner Fasson glücklich werden: Der eine wählt die kürzeste Strecke hinauf zur Grabkapelle Katharinas, während für den anderen der Genuss imausgiebigen Erwandern liegt. Welche Route sollte ich also beschreiben, um es allen Recht zu machen?
Ich empfehle allen Lesern, die gerne einmal auf den Spuren meiner Romanhelden wandeln wollen, das aktuelle Kartenmaterial des Landesvermessungsamtes in Stuttgart. Wanderkarten, Freizeitkarten, auch Karten und Broschüren zum kostenlosen Downloaden â die Website www.lv-bw.de bietet einen Ãberblick über sämtliche Produkte. Mir waren die Wanderkarten des Landesvermessungsamtes bei all meinen Recherchen stets wertvolle Helfer.
Lassen Sie uns also eine kleine Reise machen. Zu den »vergessenen Orten«, zu meinen Lieblingsplätzen, zu Plätzen, an denen ich Kraft für neue Projekte tanken kann.
Begleiten Sie mich und ich verspreche Ihnen, dass auch Sie dabei groÃe und kleine Entdeckungen machen werden! Wer weiàâ vielleicht wird auch Ihre Kreativität entfacht und Sie fühlen sich zu eigenen kleinen Geschichten, Bildern oder Gedichten inspiriert?
Zuerst möchte ich Sie nach Gönningen entführen, dem Schauplatz meines Romans Die Samenhändlerin . Dort angekommen kam Hannah aus dem Staunen nicht mehr heraus: »Allmächt, wo bin ich hier nur hingeraten â¦Â«
(â¦) Seit sie die ersten Häuser von Gönningen passiert hatte, war sie bei drei Schuhmachern, vier Metzgerläden, einem Friseur und mindestens fünf Kaufmannsläden vorbeigekommen. (â¦) Was für ein ungewöhnliches Dorf ⦠Die meisten Geschäfte waren in stattlichen Häusern untergebracht, von denen einige aus einem cremefarbenen, fremdartigen Stein gebaut waren. Vor oder neben vielen Häusern befanden sich kleine Gärten, deren Eingangstore schmiedeeisern und so reichhaltig verziert waren, als würden sie zu städtischen Villen gehören. Die Gassen waren durch den dumpfen Schein vieler Laternen gut beleuchtet und ausgesprochen sauber.«
So kam also die Nürnbergerin Hannah einst in Gönningen an. Gönningen ist heute ein Teilort von Reutlingen undliegt circa 30km südlich von Stuttgart. Es liegt ungefähr genau so weit von meinem Wohnort entfernt, also quasi vor meiner Haustür. Umso schlimmer, dass ich von der spannenden Geschichte des Dorfes rein gar nichts wusste bis zu dem Tag, an dem mir eine Leserin einen Zeitungsartikel über Gönningen zuschickte! Aber so ist es ja leider nur allzu oft: Was vor der eigenen Haustür liegt, übersieht man gerne, während man sich in der Fremde bestens auskennt.
Ob Gönningen nicht einmal ein Thema für ein Buch wäre, fragte meine Leserin ganz vorsichtig
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