Die Liebe einer Frau
Ein Mann wie Cottar konnte sich nicht einfach unbemerkt davonstehlen. Sogar nach so langer Zeit würde es Erinnerungen geben. Informationen der einen oder anderen Art. Einige davon teuer, nicht alle wahr. Aber immerhin.
Kent dachte daran, sie zu fragen, wovon sie das bezahlen wollte. Konnte sie etwas von ihren Eltern geerbt haben? Er erinnerte sich dunkel, dass sie bei ihrer Heirat enterbt worden war. Vielleicht meinte sie, dieses Haus würde viel Geld bringen. Eher unwahrscheinlich, aber vielleicht hatte sie recht.
Doch selbst dann konnte es ihr innerhalb weniger Monate unter den Händen zerrinnen. Wie ein Lauffeuer würde sich herumsprechen, dass sie da war.
»Diese Städte haben sich stark verändert«, sagte er nur.
»Nicht, dass ich den Behördenweg vernachlässigen würde«, sagte sie. »Ich würde sie alle angehen. Die Botschaft, die Friedhofsverwaltungen, die Ärztekammer, falls es so was gibt. Ich habe sogar schon Briefe geschrieben. Aber man wird nur hingehalten. Man muss ihnen persönlich gegenübertreten. Man muss da sein. An Ort und Stelle. Immer wieder hingehen und ihnen lästigfallen und herausfinden, wo ihre Schwachstellen sind, und bereit sein, unter dem Tisch etwas zuzustecken, wenn nötig.
Zum Beispiel bin ich auf die mörderische Hitze gefasst. Es hört sich nicht so an, als hätte es eine günstige Lage – Jakarta. Rundherum Sümpfe und Flachland. Ich bin ja nicht blöd. Ich werde mich impfen lassen und alle Vorsichtsmaßregeln einhalten. Ich werde meine Vitamine nehmen, und da Jakarta von den Holländern gegründet worden ist, dürfte kein Mangel an Gin herrschen. Niederländisch-Indien. Es ist keine sehr alte Stadt, weißt du. Sie wurde, glaube ich, irgendwann um 1600 erbaut. Kleinen Moment. Ich habe alle möglichen – ich zeige dir – ich habe –«
Sie stellte ihr Glas hin, das schon seit einiger Zeit leer war, stand rasch auf, blieb nach ein paar Schritten mit dem Fuß in dem zerrissenen Sisal hängen und taumelte, hielt sich aber am Türrahmen fest und fiel nicht hin. »Muss diese alten Läufer rausschmeißen«, sagte sie und eilte ins Haus.
Er hörte sie mit klemmenden Schubladen kämpfen, dann ein Geräusch wie von einem herunterfallenden Papierstapel, und währenddessen redete sie ununterbrochen mit ihm, in der etwas hektischen, beschwichtigenden Manier von Leuten, die auf keinen Fall jemandes Aufmerksamkeit verlieren wollen. Er konnte nicht verstehen, was sie sagte, oder gab sich keine Mühe. Er ergriff die Gelegenheit, um eine Tablette zu nehmen – etwas, was er seit einer halben Stunde hatte tun wollen. Es war eine kleine Tablette, die er ohne Wasser – sein Glas war auch leer – schlucken konnte, und er hätte sie wahrscheinlich in den Mund stecken können, ohne dass Sonje merkte, was er tat. Aber etwas wie Scheu oder Aberglaube hinderte ihn daran, es zu versuchen. Er hatte nichts dagegen, dass Deborah sich seines Zustands ständig bewusst war, und seine Kinder wussten natürlich Bescheid, aber es schien eine Art Tabu zu geben, ihn vor Gleichaltrigen offenzulegen.
Die Tablette kam gerade noch rechtzeitig. Eine Flutwelle von Schwäche, unfreundlicher Hitze, drohendem Zerfall kam heraufgekrochen und brach in Schweißtropfen auf seinen Schläfen aus. Ein paar Minuten lang spürte er diese Anwesenheit vorankommen, aber durch kontrolliertes ruhiges Atmen und bequeme Umlagerung der Glieder behauptete er sich dagegen. In dieser Zeit kam Sonje mit einem Bündel Papiere wieder – Karten und bedruckte Bögen, die sie aus Bibliotheksbüchern herauskopiert haben musste. Einige glitten ihr aus den Händen, als sie sich hinsetzte, und verteilten sich über den Sisal.
»Also, was das alte Batavia genannt wird«, sagte sie. »Das ist sehr geometrisch angelegt. Sehr holländisch. Da gibt es einen Vorort namens Weltevreden. Das bedeutet ›wohlzufrieden‹. Wäre das nicht ein Witz, wenn ich ihn da fände? Das ist die alte portugiesische Kirche. Ende des siebzehnten Jahrhunderts erbaut. Es ist natürlich ein moslemisches Land. Sie haben dort die größte Moschee in Südostasien. Kapitän Cook ging dort vor Anker, um seine Schiffe reparieren zu lassen, er äußerte sich sehr lobend über die Werften. Aber er sagte, die Gräben draußen in den Sümpfen wären verpestet. Sie sind es wahrscheinlich immer noch. Cottar sah nie sehr kräftig aus, aber er achtete besser auf sich, als man denken würde. Er spazierte nicht einfach durch Malariasümpfe oder kaufte Getränke bei
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