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Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Titel: Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Setz Clemens J.
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andauernd bekommen, was sie wollten? Warum sollte die ganze Welt immer zufrieden sein, bloß er nicht? Nein, es musste auch mal nach seinem Kopf gehen. Achtzehn Studenten, geschlechtsneutral auf neun Mädchen und neun Buben aufgeteilt. Natürlich, es waren alles erwachsene Menschen, aber – man brauchte sie sich nur einen Moment anzusehen, und schon erschien es einem wie ein Wunder, dass sie ihre Schuhbänder alleine zubinden konnten.
3
    Ulrike Antonitsch wusste nicht mehr, was sie tun sollte. Ihr Mann war wie ein Aal. Er brach unter ihrem Würgegriff einfach nicht zusammen, sondern entkam ihr ein ums andere Mal, glitschig und unverletzt, es war zum Verrücktwerden. Sie wollte ihn am Boden sehen, wie er sich wand, wie er sie um Verzeihung bat für all die Jahre, in denen er mit ihr verheiratet gewesen war. Er sollte ihr sagen, dass sie allein es in der Hand hatte, sein Leiden aufhören zu lassen – und sie würde seinem Wunsch nicht entsprechen, würde ihn weiterwinseln lassen zu ihren Füßen, würde ihn bei seinen tränenreichen Entschuldigungen filmen und ihn hinterher zwingen, sich diese Filme anzusehen, damit er endlich erkannte, was für ein elender Versager, was für ein kleiner, angeberischer Wicht er war.
    Sie saß vor einem Glas Wein und starrte in die dunkelrote, unergründliche Flüssigkeit. Ihr war heiß, sie hatte sich schon vier Mal umgezogen. Gestern Vormittag waren es sogar sieben Mal gewesen. Sie führte Buch über solche Dinge. Es war wichtig, die Kontrolle nicht zu verlieren. Sie spürte, dass es bald wieder so weit sein würde. Ihr leichtes Sommerkleid, das so locker um ihre Schultern hing, dass ihre Brüste sichtbar waren, fühlte sich klebrig und schmutzig an. Sie nahm einen großen Schluck Wein und ließ ihn zwischen ihren Backen hin und her schwappen. Währenddessen streifte sie das Kleid mit einer einzigen, kraftvollen Bewegung von ihrem Körper. Anschließend ging sie nackt ins Nebenzimmer und betrachtete sich im Spiegel.
    Bildhübsch, kein Zweifel. Nicht der Körper einerachtzehnjährigen Studentin, aber wohlproportioniert, eine griechische Statue, die atemberaubende Verrenkungen ausführen konnte. Sie war unerhört biegsam! Und um es ihrem ständig misstrauischen Spiegelbild zu beweisen, beugte sie sich nach vorn und berührte, während sie ihre Knie stramm durchgedrückt ließ, mit den Fingerspitzen ihre lackierten Zehennägel. Dabei kam ihr der Geruch ihrer Schamhaare entgegen. Sofort richtete sie sich wieder auf und ging ins Badezimmer.
    Leise singend wartete sie, bis die Wanne voll Wasser war, stieg schnell hinein, wusch sich ihr Geschlecht und stieg wieder heraus. Zufrieden kehrte sie an den Küchentisch zu ihrem Glas Wein zurück. Erst nachdem sie einen großen Schluck genommen hatte, merkte sie, dass der Fußboden nass war. Sie hatte vergessen, sich nach dem kurzen Bad abzutrocknen.
    Während sie die nassen Spuren mit einer Serviette wegwischte, geisterten ihr Fetzen des Streits von heute Morgen im Kopf herum. Szenen, die sie weiterspann und neu durchspielte. Nach einiger Zeit wusste sie gar nicht mehr, was echt und was erfunden war.
    – Wenn du so unglücklich bist, dann geh doch!, hatte er geschrien. Was hält dich denn noch bei mir?
    – Ha! Ich werde dich nie verlassen! Das hättest du gerne! Ich werde hierbleiben und dich jeden Tag daran erinnern, was für ein Waschlappen du bist! Dein Leben soll die Hölle sein, Tag und Nacht! Glaub mir, ich lass dich keine Sekunde aus den Augen.
    – Ich habe dir schon gesagt, dass ich die Scheidung will. Deine Zustimmung brauche ich nicht. Die Wohnung gehört mir, und ich will, dass du ausziehst.
    – Seit wann interessiert es mich, was du willst? Alles,was mich interessiert, ist, wie ich dein Leben zerstören kann. Dein Leben und das von deiner kleinen Schlampe!
    – Oh Gott, jetzt fang nicht wieder davon an!
    Er hatte es abgestritten. Er stritt es immer ab, in jeder Situation, abends im Bett, am Frühstückstisch, am Handy, wenn sie ihn bei der Arbeit anrief, in der Badewanne, sogar schriftlich – immer hieß es: Das bildest du dir nur ein, Ulrike, es gibt keine Frau außer dir . Wie oft hatte er diesen Satz nun schon wiederholt? Und wie lange würde er sich noch trauen, ihn zu wiederholen?
    Dabei wusste sie ganz genau, was für ein Mensch Hubert war. Er allein in einem Seminarraum, umringt von lauter jungen Studentinnen mit offenen Blusen und kurzen Röcken. Sie wusste alles.
    Sie warf die nasse Serviette in den Müll und trank den

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