Die Liebesgöttin (German Edition)
schlank. Fest hielt er ihre Hand in seiner. Sie sprachen nicht miteinander.
Amandas Blick schweifte umher.
Unter ihnen tobte der Atlantik. Meterhohe Wellen warfen sich brüllend gegen die Felsformationen der Steilküste, die sich kilometerlang hinzuziehen schien.
Sie standen selbst auf einem der hohen Felsen, ganz vorne an der Kante.
Die riesigen Wellenberge sahen bedrohlich aus, grau mit weißen Schaumkronen auf den Kämmen.
Die Gischt spritzte bis zu ihnen hoch, benetzte Gesichter und die dünnen, schleierartigen Kleider, die sie trugen. Der Stoff war im Nu durchnässt und klebte auf der Haut.
Amanda begann zu zittern. Vor Kälte und vor Grauen zugleich.
Sie wusste, was sie erwartete, noch ehe der Mann an ihrer Seite sagte: »Wir müssen es jetzt tun, Liebes. Es bleibt uns keine Wahl, und du weißt es. Hab keine Angst, ich halte deine Hand beim Absprung und danach, so lange es nur geht. Und denk daran: Wehre dich nicht gegen das Wasser, lass es eindringen, öffne sogar den Mund. Die Lungen füllen sich rasch und die Qual ist dann schnell vorbei. Wenn du dich wehrst, Liebste, wirst du leiden. Es ist unnötig, denn ich verspreche dir, wir sehen uns bald wieder. In einem anderen Leben.«
Er machte einen Schritt nach vorne und zog sie dabei mit. Sie spürte, wie sie den Halt verlor und schrie auf vor Entsetzen …
Dieses Mal erwachte Amanda von ihrem eigenen Schrei.
Mit hämmerndem Herzen schoss sie hoch im Bett und weckte dabei auch Rasputin auf. Der sie daraufhin nur empört einige Sekunden lang starr fixierte, ehe ihm die Augen wieder zufielen. Anschließend kippte der Kater einfach seitlich um und war auch schon erneut eingeschlafen.
Wäre sie nicht immer noch so bestürzt gewesen, Amanda hätte glatt schallend gelacht bei dem drolligen Anblick.
Dummerweise aber war ihr momentan gar nicht nach Lachen zumute: Sie hatte den Mann erkannt, der ihr das eben im Traum angetan hatte – Peter, der Pilot.
Amandas kleine Liebe hatte eben im Traum versucht, sie umzubringen.
Sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, was das jetzt wieder – tiefenpsychologisch betrachtet – bedeuten musste.
Ehe sie endgültig aufstand, nahm sich Amanda fest vor, so bald wie möglich Ricardo aufzusuchen. Er würde ihr bei der Traumdeutung sicher helfen können. Immerhin führte er den viel versprechenden, wenn auch selbst verliehenen Titel » Spiritueller Meister und Maler « auf seinen Visitenkärtchen spazieren.
9
P eter war nicht schnurstracks zurückgefahren in sein Hotel. Stattdessen war er auf der Autobahn Richtung Santa Cruz weitergerast, die Ausfahrt Las Americas und damit den direkten Weg nach Hause einfach ignorierend.
Erst auf der Höhe des Südflughafens Reina Sofia nahm er den Fuß vom Gaspedal, um das Tempo zu drosseln.
Als bald darauf die Ausfahrt El Medano auftauchte, beschloss er kurzfristig, dem Ort, der einen Namen als Surferparadies besaß, einen Besuch abzustatten.
Er hatte momentan nicht die geringste Lust, sich schon wieder mit diesem Journalisten zu treffen. Nachdem Amanda ihn so kaltschnäuzig abserviert hatte, wollte Peter nur eines: alleine sein.
Er fand einen Parkplatz in der Nähe der großen Rambla. Von hier aus waren es nur wenige Schritte bis hinunter an den Strand. Kleine Cafés und Restaurants säumten die hölzerne Promenade, die sich in westlicher Richtung fast einen Kilometer lang hinzog.
Nachdem er an einem Kiosk ein deutsches Politmagazin gekauft hatte, setzte sich Peter in die erste Bar an der Ecke zur Rambla. Er bestellte Kaffee mit Milch – Café con Leche – und Mineralwasser. Dann begann er, sich in die Lektüre zu vertiefen. Das sollte helfen, ihn vom Nachdenken abzuhalten. Über dieses kaltschnäuzige Biest, das ihm so sehr unter die Haut gegangen war. Bereits damals, vor einigen Monaten, beim ersten Mal.
Obwohl sie ihn auch da schon schamlos benutzt hatte, zu ihrem ureigensten Vergnügen!
Am nächsten Morgen 11 Uhr in Peters Hotelbar:
»Sie sehen so verdächtig ausgeschlafen aus, Torstedt! War die Nacht nicht gut?«
Karel winkte Paco, dem verdammten Barkeeper, jetzt schon das zweite Mal heftig zu, ohne dass der ihn auch nur eines Blickes würdigte.
»Lassen Sie mich das machen. Paco scheint heute kanarische Tomaten auf den Augen zu haben. Außerdem sind Sie nicht Gast dieses Hauses«, sagte Peter und räusperte sich dann kurz, aber vernehmlich. Die an ihn gerichtete Frage ignorierte er einfach.
Eine halbe Minute später stand der Barkeeper auf der Matte. Karel
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