Die Liebeslist
endlich mit einem tiefen Seufzer von seinem Braten ab und widmete seine Aufmerksamkeit zur Gänze Rosamund, wobei er aus seiner Gereiztheit keinen Hehl machte und den Dolch missmutig auf den Tisch knallte. „Darüber streite ich nicht mit Euch. Ich schicke Euch bis Hereford einen Begleitschutz mit, falls Ihr das wollt und Euch vor der Reise fürchtet. Obwohl Ihr auch, ohne in Schwierigkeiten geraten zu sein, hergefunden habt …Von Hereford aus werdet Ihr es ja wohl allein nach Hause schaffen. In Salisbury wird man Euch sicher gebührend empfangen.“ Er nickte nachdrücklich, als sei die Sache damit für ihn erledigt.
„Aber ich kann nicht dorthin zurück!“ Ihre Stimme sank fast zu einem Flüstern; die Aussicht auf eine ungewisse Zukunft mit all ihren Schrecken verschlug ihr fast die Sprache.
„Wieso nicht? Würde Euch Euer Bruder nicht aufnehmen?“
„Doch, natürlich! Das ist nicht der Grund …“
Rückkehr unter die Oberhoheit ihres Bruders … Rosamund fühlte Angst in sich aufsteigen, denn vor ihrem geistigen Auge erschien unwillkürlich das Bild von Ralph de Morgan. Schmerzhaft schluckend dachte sie an den alternden, ungepflegten Mann und musste ein Schaudern unterdrücken – so abstoßend fand sie allein die Vorstellung, seine Frau zu werden. Was sie von der Ehe wusste, basierte auf den leidvollen Erfahrungen ihrer Mutter, die ihre Bekümmernisse zwar für sich behalten hatte, jedoch auch nie recht verbergen konnte. Petronillas erster Ehemann, Rosamunds leiblicher Vater, war ein beschämend ungehobelter Klotz gewesen mit so gut wie keinen Manieren und noch weniger Bildung, der seine Gemahlin kaum besser behandelt hatte als eine Dienstmagd. Der zweite dagegen zwar gepflegt und kultiviert, wie es besser nicht ging, dafür aber lieblos und kalt wie ein Fisch. Beide hatten Petronilla das Leben zur Hölle gemacht. Und so etwas sollte sie, Rosamund, sich zumuten? Heimliche Tränen ein Leben lang, sorgsam unterdrückte Gefühle, damit niemand etwas merkte? Einsam und verlassen? Das alles stand ihr bevor. Und das Allerschlimmste: ein ausgesprochener Widerling als Gatte. Das durfte sie nicht mit sich machen lassen. Andererseits konnte sie Fitz Osbern nicht erklären, weshalb es ihr unmöglich war, von Clifford abzureisen. Auf jeden Fall wollte sie verhindern, dass dieser Waldschrat Mitleid mit ihr bekam! Das würde sie niemals mit ihrem Stolz vereinbaren können.
Rosamund schüttelte den Kopf. „Ich gehe nicht!“ Mehr fiel ihr als Antwort nicht ein. Vermutlich wäre sie glatt mit gerafften Röcken vom Podium heruntergestiegen, hätte Fitz Osbern nicht geistesgegenwärtig und blitzschnell wie ein Jagdfalke die Hand ausgestreckt und Rosamund eisern beim Handgelenk gepackt. Seine Stimme war fest wie sein Griff; es war, als fixiere er seine Beute mit Raubvogelaugen.
„Glaubt ja nicht, dass ich mich erweichen lasse, Verehrteste. Morgen früh reist Ihr ab, und wenn ich Euch samt Euren Habseligkeiten persönlich in Euren Reisewagen setzen muss. Bei Tagesanbruch seid Ihr abmarschbereit!“
Rosamund versuchte, sich loszureißen, jedoch vergebens. Ihr Grausen vor dem nicht anwesenden Ralph wich schlagartig unbändigem Hass auf diesen unsäglichen Fitz Osbern. Dieser Hass wiederum lockerte ihr die Zunge, sodass sie, ohne sich um die Folgen zu scheren, losschimpfte, und zwar mit einer Heftigkeit, bei der einem angst und bange wurde. Lady Petronilla hatte ihre Tochter allerdings schon häufiger so erlebt und schickte nun ein Stoßgebet gen Himmel.
„Wenn Ihr das macht, Mylord“, fauchte Rosamund, indem sie den erstbesten Gedanken aussprach, der ihr in den Sinn kam, „wenn Ihr mich also unter Anwendung körperlicher Gewalt zwingt, meine Burg zu verlassen, dann kampiere ich draußen vor dem Tor. Entweder Ihr gewährt mir wieder Einlass, oder ich gehe an Entkräftung und den Folgen der Witterung zugrunde.“
„Was seid Ihr nur für eine Närrin! Leere Drohungen eines verhätschelten Kindes, das seinen Willen nicht kriegt!“ Fitz Osbern schüttelte sich vor Lachen, offenbar völlig fassungslos. „Meint Ihr wirklich, Ihr könntet mich mit Euren Worten beeindrucken? Eure Drohgebärden gleichen für mich dem Fiepsen eines kleinen Mäuschens. Ich habe Euch ja vor Widerstand gewarnt, nicht wahr?“
„Rosamund …“ Lady Petronilla hatte bemerkt, dass der Ritter grimmig die Stirn in Falten legte. Ihr schwante nichts Gutes.
„Nein, Mutter!“ Rosamund würdigte ihre Mutter nicht mal eines Blickes. All ihr
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