Die Liebesluege
mit ihnen in den Pavillon zu gehen. Sie wollte nichts trinken, aber es ist schwer, immer Nein zu sagen. Besonders wenn man neu ist«, fügte sie hinzu.
»Es waren wirklich nur zwei kleine Schlückchen«, versicherte Charly und sah dankbar zu Elena hinüber. »Aber natürlich weiß ich, dass Alkohol generell verboten ist. Es wird nicht wieder vorkommen.«
Professor Mori ordnete den Kragen ihrer Bluse. »Gordon und Leopold verschwiegen, dass du die Dritte im Bunde warst.«
»Es war anständig, dass sie nicht petzten«, stellte Charly fest.
»Du hättest sie auch nicht verraten.« Das war keine Frage, es war eine Feststellung.
»Nein.«
»Dann frage ich mich, weshalb du mir den dritten Becher beichtest. Jetzt, wo du es gesagt hast, muss ich dir leider einen Verweis geben. Das weißt du doch?«
Charly nickte.
»Warum also?«
So schuldbewusst wie ein ertappter Sünder stand
Charly wirklich nicht vor Professor Moris Schreibtisch. »Nun?«
»Als wir im Pavillon saßen, war plötzlich ein … ein Gesicht am Fenster. Es gibt einen Zeugen.«
»Sieh mal einer an! Wer war es?«
»Keine Ahnung. Gordon und Poldy wissen es auch nicht - es ging einfach zu schnell.«
Plötzlich lächelte Elena. »Wir halten es für besser, Sie wissen Bescheid.«
»Die Person kann dich in Schwierigkeiten bringen«, stellte Professor Mori trocken fest. »Du sagst, keiner von euch hat das Gesicht erkannt?«
»Es hat stark geregnet, die Scheibe war nass, man hat das Gesicht nur verzerrt gesehen. Mein Schirm muss übrigens noch im Pavillon stehen. Ich habe ihn in der Eile vergessen.«
»Der Pavillon wurde gründlich untersucht, um ein Flaschendepot auszuschließen. Ein Schirm wurde nicht gefunden.«
»Nein? Vielleicht haben die Jungs ihn mitgenommen.«
»Das ist möglich. Wie auch immer … ich weiß Bescheid, und sollte die Person am Fenster dich unter Druck setzen, schickst du sie zu mir. Ich dulde nicht, dass jemand in meinem Internat erpresst wird. Sich gegen einen Erpresser zur Wehr zu setzen gehört in den Bereich Zivilcourage und ist damit etwas ganz anderes, als jemanden zu verpetzen. Ich hoffe, du siehst den Unterschied.«
Der Gong schallte durchs Haus. »Ich wünsche euch einen guten Appetit!« Professor Mori führte Elena und Charly zur Tür.
»Danke. Wie …was muss ich tun?«, stotterte Charly.
»In Bezug auf eine Strafe?« Frau Professor Mori runzelte
die Stirn. »Im Augenblick fällt mir gerade nichts Sinnvolles ein.«
Auf dem Flur schob Charly ihre Hand in Elenas.
Nach dem Mittagessen - für die Vegetarier gab es Pfannkuchen und Blumenkohl in weißer Sauce, für die »Normalen« Nudeln und Gulasch, zwei Gerichte, die allgemein beliebt waren - hing ein neuer Zettel am Schwarzen Brett.
Plötzlich packte Charly Elena am Arm. »Elena, ich bin mir hundertprozentig sicher: Es war Swetty, die uns nachgeschlichen ist und durchs Fenster geschaut hat.«
»Wie?«, fragte Elena verdutzt. »Den ganzen Nachmittag soll sie euch nachgeschlichen sein? Und dann soll sie nur mal rasch in ihr Zimmer gerannt, eine Maske aus der Schublade gezogen und sich ans Fenster gestellt haben? Das glaubst du ja selbst nicht. Wie sollte sie eine Monster-Maske herbeizaubern?«
»Zugegeben, es klingt unwahrscheinlich.« Charly nagte an der Unterlippe. »Dem Biest traue ich aber alles zu, und du wirst sehen, ich habe recht.«
»Dass Swetlana sogar zaubern kann? Charly, du spinnst.«
Kapitel 14
Mittwoch, 27. Februar
Der Mittwoch wurde zum Glückstag für Elena, denn Frau Rode richtete ihr aus, ihr Vater habe nichts dagegen, wenn sie in den Osterferien in Villa Rosa bleiben und ihre Wissenslücken schließen würde.
Elena freute sich unbändig. »Dann habe ich vierzehn Tage für meinen Vogelmenschen!«
Am Nachmittag hüpfte sie die Staffel hinunter, rannte die Uferpromenade lang und zur Bank am Trachycarpus fortunei. Atemlos kam sie an - und sah ausgerechnet dort Swetty mit Val sitzen. Poldy und Gordon standen dabei, etwas entfernt von der Gruppe lehnte Stefan an einem Stamm. So ein Pech! Was sollte sie tun? Stefan winkte ihr, langsam, zögernd kam sie näher. »Hi.«
Die vier aus dem Internat sahen herüber und grinsten - Elena hätte in den Boden versinken mögen. Sie war der Situation nicht gewachsen, ihr Herz klopfte, ihr Mund war trocken.
Stefan kam unbefangen auf sie zu, doch Elenas Beine waren plötzlich wie Wachs, der Schweiß brach ihr aus allen Poren, wie erstarrt stand sie da, dann, ohne nachzudenken, drehte sie sich um und eilte
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