Die Liebesluege
an ihm vorbei. Weg, nur weg, dachte sie. Was will er von mir? Ich bin doch ein Trampel, ein hässliches Aschenputtel!
Noch am Abend wurde sie rot, wenn sie nur an die Szene dachte.
Am Donnerstag nahm der Vogelmensch an Umfang zu, obwohl sich Max und Elena nicht viel miteinander unterhielten.
Trotz ihres idiotischen Verhaltens lebte Elena in der Hoffnung auf eine neue SMS von Stefan. Tag und Nacht geisterte er durch ihre Gedanken, alles Mögliche malte sie sich aus, obwohl Charly sie gewarnt hatte: »Bei einem, der so gut aussieht, so männlich und durchtrainiert, bist du nicht das einzige Fischchen an der Angel. Ein solcher Typ hat garantiert für jeden Wunsch eine andere Nummer in seinem Handy gespeichert. Und was dich betrifft, Elena, ist deine Unerfahrenheit in Bezug auf Männer nicht zu übersehen. Na ja, vielleicht reizt ihn gerade, dass er dir was beibringen kann.«
Je näher das Wochenende rückte, desto aufgeregter wurde Elena; sie war sich sicher, spätestens dann würde sich Stefan melden. Ohne Handy in der Tasche ging sie nicht mal aufs Klo, tausendmal schaute sie aus dem Fenster, fragte: »Glaubst du, es wird regnen?«, abertausendmal kämmte sie sich die Haare und tröpfelte beruhigende Medizin in die Augen, obwohl es kaum mehr nötig war.
Am Samstagabend während des Essens passierte es. Im Speisesaal waren Anrufe verboten; Elena hatte ihr Handy auf stumm geschaltet, zuckte plötzlich zusammen - Charly und sie standen gerade am Büfett - und raste auf den Flur, als wäre das Monster hinter ihr her.
Auf dem Zimmer las sie atemlos die SMS:
HI, ICH MÖCHTE DICH IMMER NOCH TREFFEN. VIELLEICHT KLAPPT ES DIESMAL? MORGEN, 15 UHR. BANK AM TRACHYCARPUS FORTUNEI. STEFAN
»Wirst du hingehen?«, fragte Charly sie später in ihrem Zimmer.
Elena nickte. Er meint es ernst, dachte sie ein ums andere Mal, lächelte selig und vergaß völlig, auf Stefans SMS zu antworten.
Sonntag, 3. März
Gleich am Sonntagmorgen begann Elena mit den Vorbereitungen. Zum ersten Mal duschte sie ausgiebig, ohne sich um Anwesende zu kümmern. Ganz ungeniert wusch sie die Haare, trocknete sich sogar im Waschraum ab und cremte sich ein. Alles noch nie da gewesene Ereignisse, die Charly zeigten, wie ernst es Elena mit dem Date war. Das Mädchen sprang über seinen Schatten!
Elena probierte verschiedene Blusen aus, entschied sich gegen die italienischen und für eine schlichte weiße, schlüpfte schließlich in die Jeans, die perfekt passte, weil sie mangels Appetit wenig gegessen hatte, und zog ganz zuletzt den schwarzen Blazer an.
»Wie sehe ich aus?«
»Bewirb dich für den neuen 007-Film und du wirst die Rolle des Bond-Girls bekommen.« Charlys Bewunderung war nicht gespielt; Elena hatte mit dem schüchternen, verdrießlichen Mädchen im wollmausgrauen Rollkragenpulli nichts mehr gemein.
Lange vor der Zeit drängte Elena zum Aufbruch.
Natürlich waren Charly und Elena zwanzig Minuten zu früh auf der Promenade. Auf der Terrasse vorm Eden Palace standen Stühle und Tische; sie bestellten heiße Schokolade, denn Elena versicherte, in ihrem gegenwärtigen Zustand würde sie eine Tasse Kaffee ins Jenseits befördern.
Als sie die Schokolade getrunken hatten, waren erst zehn Minuten vergangen. »Ich zeig dir die Bäume.«
Charly erhob sich widerwillig. »Du kennst die Regeln nicht. Beim ersten Date kommt man unbedingt eine Viertelstunde zu spät. Aber okay, du willst es nicht anders.«
Ganz langsam wanderten sie von Baum zu Baum. Sie fanden es schade, dass die Magnolia grandiflora , eine Magnoliaceae aus den USA, noch nicht blühte, sie fanden es schön, wie malerisch die Zweige der Genista aetnensis , einer Leguminosae aus dem Gebiet des Ätna auf Sizilien, über die Mauer hingen, sie strichen mit den Handflächen über die schorfige Rinde der Metasequoia glyptostroboides , einer Taxodiaceae aus China, und dann hatten sie leider auch schon die Bank beim Trachycarpus fortunei erreicht.
Wie es Charly erwartet hatte, saß dort niemand; es war aber auch noch eine halbe Minute vor der Zeit.
Die grüngrauen, zerrupften Palmwedel fanden sie ziemlich hässlich; Elena zupfte ein paar Bastfäden vom Stamm und wickelte sie um ihren Zeigefinger. Stefan alias Daniel Craig kam nicht.
Sie bewunderten die farbenprächtigen Stauden, die Stiefmütterchen, Narzissen und Primelchen, die in der Rabatte zum See hinunter blühten. Nichts zu sehen von Daniel Craig.
Sie wanderten in Richtung Casino weiter. Kein Daniel Craig rannte aus dem
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